Long vehicle. no joke. |
Das einzige Haus, in dem noch Licht
brennt, ist die Tankstelle. Kalter Wind weht aus der endlosen
Wüstenlandschaft durch den leblosen Ort und spielt mit dem monotonen
Tackern des Roadtrains, der wie so viele Andere an der Seite im
Schlamm parkt. Offensichtlich hat der Fahrer sich dazu entschieden,
seine Maschine laufen zu lassen. Wahrscheinlich sitzt er mit den
anderen Truckern in der abgeschotteten Tankstelle, die auch
gleichzeitig als Pub und Frühstücksraum dient, und schaut bei einem
kalten Dosenbier australisches Fernsehen. Es ist weit und breit kein
Mensch zu sehen. Ich mache meine Jacke zu und gehe die eine Straße
entlang hinaus in die Dunkelheit. Aus der Ferne ist ein Geräusch zu
hören, welches ich nicht so wirklich zuordnen kann. Klack klack
klack klack. Es scheint näher zu kommen, doch es ist nichts zu
sehen. Der Roadtrain neben mir hat seinen Namen wirklich verdient.
Drei große Tanks stehen auf insgesamt 15 Achsen mit 58 Rädern. Auf
der anderen Straßenseite ist der Grund für die Ansammlung der
vielen Lastwagen gerade so im spärlichen Dämmerlicht zu erkennen:
Ein großes Schild weist darauf hin, dass die Straße gesperrt ist.
Wann sich das ändert, konnte uns Niemand so wirklich sagen. Wir
wollen die Nacht noch abwarten.
Mittlerweile ist das klackernde
Geräusch deutlich lauter geworden und ich ärgere mich, dass ich
meine Taschenlampe im Van gelassen habe. Nur der Mond, der aufgrund
der klaren australischen Luft immer deutlich als Kugel zu erkennen
ist sorgt für ein wenig Licht. Ansonsten wäre ich wahrscheinlich
auch in die große, schlammige Pfütze getreten, die unweit des
Schildes die Straße ablöst. Warum hat es auch ausgerechnet in den
letzten Tagen hier soviel regnen müssen? In der Ferne ist das Jaulen
von Hunden zu hören. Vorausgesetzt natürlich, in Australien gibt es
keine Wölfe, wer weiß das schon so genau? Viel Zeit darüber
nachzudenken habe ich nicht, denn das Klackern, welches kurzzeitig
verschwunden war, ertönte plötzlich wenige Meter neben mir. Drei
große, offensichtlich wilde Pferde waren über das Feld gelaufen und
traben nun langsam an mir vorbei. Ihr Ziel war das Gras, welches um
einen alten Container im Ort wucherte. Es wird zunehmend kälter und
ich spüre, dass ich mich ein wenig erkälte. Ich gehe zum Van
zurück, in dem Julius sich bereits in seinen warmen Schlafsack
gepackt hat. Hoffentlich bleibt es trocken, damit wir unsere Reise
bald fortsetzen können. Es wäre schade, den ganzen Weg bis nach
Port Augusta zurückfahren zu müssen. Es war jedoch in jedem Fall
die richtige Entscheidung, den Abstecher gen Nordosten zu wagen...
Nachdem die besagte Redback Spider
besiegt war und wir sämtliche Sachen in Ludwigs dickem Bauch
verstaut hatten verließen wir Port Augusta und erreichten bald das
kleine Örtchen Hawker. Hier sollten wir zum letzten Mal für mehrere
Tage Handyempfang haben – und damit auch Internet und alle anderen
damit verbundenen, gewohnten Annehmlichkeiten wie Wettervorhersagen
oder Routenplanung. Die kerzengerade Straße führt immer weiter in
die Wüste. Die Umgebung wird zunehmend roter und toter. In der Ferne
erheben sich kahle Gebirgsketten. „Man, ist das toll“ sagt
Julius, und ich habe Dasselbe gedacht. Alle paar Sekunden passieren
wir ein mehr oder weniger verwestes Känguru am Straßenrand. Ab und
zu kommt uns ein Auto entgegen oder überholt uns, wobei wir stets
freundlich gegrüßt werden. Man kennt sich halt auf dem Lande!
Kanyaka Homestead |
Wir machen einen Abstecher gen Osten,
um den Flinders Range Nationalpark zu besuchen. In Wilpena, dem
einzigen Ort dort, quartieren wir uns auf einem großen, aber sehr
schönen Campingplatz ein. Hier sammeln sich wohl sämtliche
Reisende, die in der Gegend unterwegs sind. Die ganze Anlage ist sehr
modern, und neben den fast ausschließlich Allrad-betriebenen
Fahrzeugen lodern Lagerfeuer. Verdammt, eigentlich lodern überall
Lagerfeuer, nur bei uns nicht! Zahllose Schilder weisen darauf hin,
dass das Sammeln von Feuerholz untersagt ist und man welches an der
Rezeption kaufen solle. Die hat jedoch längst zu, und es wird immer
kälter. So warm es tagsüber in der Sonne auch ist, im Winter ist es
nachts im Outback arschkalt. Der eigene Atem nimmt mir die Sicht auf
den sonst atemberaubenden Sternenhimmel – Es ist an die 0°
Celsius. Julius kommt aus der Dunkelheit zurück, er konnte kein Holz
finden. Kann doch nicht sein! Ich mache mich auf den Weg zur
Rezeption, wo ich schließlich den Verschlag mit Feuerholz finde.
Er
ist mit einem massiven Eisenschloss gesichert. Made in Australia –
das heißt oftmals schlecht oder gar nicht durchdacht. Ähnlich wie
bei diesen Geduldsspielen aus Metall bog und zog ich am Riegel und
Schließmechanismus herum. Und tatsächlich, nach etwa 10 Minuten
hatte ich ohne jegliche Gewalteinwirkung den Riegel in der Hand und
das Tor öffnete sich mit einem dezenten Quietschen. Herzlich
Glückwunsch, wer auch immer dieses Schloss konstruiert hat – Sie
haben zwar den Beruf verfehlt, aber soeben zwei arme Backpacker vor
dem Erfrieren gerettet! Während ich klammheimlich einen der schweren
Säcke den Berg hinauf schleppte ging mir das Grinsen nicht aus dem
Gesicht – Australien pur.
Morgens trafen wir schon wieder Alex
und Tor (Victoria), die wir im Hostel in Adelaide kennengelernt
hatten. Sie waren offenbar die einzigen anderen Backpacker, die irre
genug waren über den Oodnadatta Track nach Coober Pedy fahren zu
wollen. Zusammen machten wir uns auf einen Hike auf einen nahen
Berg.Julius trug dabei seine Virginity-keeper, merkwürdige
australische Schuhe, die für jeden Zeh einen eigenen Hohlraum haben.
Der anstrengende Aufstieg wurde durch Ausblicke belohnt, die denen
des Grampians NP um nichts nachstanden.
An alle verwirrten: Nein, das ist kein Adler. Kräächz! |
Nach zwei schönen Tagen verließen wir
den Flinders Range NP gen Norden. Leider hatten wir bisher keinen der
dort beheimateten Keilschwanzadler gesehen. Die gigantischen Vögel
mit bis zu 2,84 Metern Flügelspannweite bauen bis zu 5 Meter breite
Nester und sind bekannt für ihren gnadenlosen Jagdtrieb. Es dämmerte
bereits und ich musste sehr langsam fahren, da die Straße voll von
Kängurus war. Man sieht sie einfach nicht, selbst wenn sie direkt am
Straßenrand sitzen. Wir waren fast aus dem Park raus, da sahen wir
sie: Drei der Adler hackten auf einem toten Kanguru am Straßenrand
herum. Durch Ludwig aufgescheucht erhoben sie sich majestätisch in
die Lüfte und flogen ein paar Sekunden neben dem Van her. Was für
Mordsviecher! Ich weiß gar nicht so genau wie sie aussehen, da ich
permanent auf den Schnabel starren musste – es sah aus, als hätten
sie einen Felsen im Kopf stecken. Ein Foto gibt es natürlich auch
nicht, da für einen Griff zur Kamera einfach die Zeit fehlte. Wenig
später war ich in atemberaubender Landschaft auf der Suche nach
Feuerholz. Am Horizont geht glühend rot die Sonne unter, und ein
paar Meter neben mir hoppelt ein Kanguru vorbei – genau so habe ich
mir den Roadtrip vorgestellt!
Am nächsten Morgen regnete es.
Verdammt, der nette Opa mit der riesigen Antenne auf seinem Truck hat
recht gehabt. Die Mädels brachen früher auf, und als das Schlimmste
vorüber war machten auch wir uns auf den Weg. Nördlich des
Nationalparks mussten wir etwa 70 Kilometer (von Bilpena zurück auf
die Hauptstraße in Richtung Lyndhurst) offroad fahren. Die Straße
war als Highway in der Karte eingezeichnet, jedoch mit gestrichelten
Linien. Da hätten wir vielleicht mal einen Blick in die Legende
werfen sollen! Es war wahrscheinlich die härteste Strecke, die
Ludwig jemals zu spüren bekommen hat. Zu Beginn war es sehr steinig,
die bekannten Bodenwellen wechselten sich mit Schlaglöchern ab und
spitze Steine guckten aus dem Boden. Alle paar Meter hieß es
„Reifencheck!“, und wir öffneten die Türen um einen Blick auf
die Räder werfen zu können. Es schepperte und wackelte dermaßen,
dass wir dachten der Van fliegt auseinander. Tat er aber nicht –
braver Onkel!
Es gab ein paar kleinere Flussdurchquerungen, die ich
teilweise unter den skeptischen Blicken von wilden Ziegen umfahren
musste. Es ist anscheinend ganz ordentlich Wasser vom Himmel
gefallen. Das ist soweit nicht weiter tragisch, jedoch war das letzte
Stück der Strecke eine Sandpiste, welche durch den Regen in eine
einzige Rutschbahn verwandelt wurde. Das klingt nicht sonderlich
spektakulär, aber es war wirklich heftig. Bei einem Tritt auf die
Bremse wurde der Wagen kaum langsamer, sondern begann nur in Richtung
Graben auf der linken Seite zu rutschen. Ich war permanent nur am
Gegensteuern, da der Van immer hinten ausbrach, wenn an einer der
Seiten kurzzeitig ein wenig Bodenhaftung war. Fährt man jedoch zu
langsam, kann man in der Pampe stecken bleiben oder einfach seitlich
von der Bahn rutschen. Kurz vorm Erreichen der Hauptstraße ist es
dann passiert: Mit einem Mal bricht der Wagen bei Tempo 50 hinten weg
und wir rutschen etwa 60-70 Meter im 45°-Winkel über die Straße,
wobei wir ein wenig nach links abdriften. In dem Moment waren wir uns
beide sicher: Das Ding kippt gleich um. Irgendwie schaffte ich (oder
eher Ludwig) es dann aber doch noch wieder in die Spur zu kommen. Ich
hechelte, da ich wohl vergessen hatte zu atmen. „Ich schnall mich
dann mal an.“ sagte Julius. Auf den Schock gönnte er sich erst mal
eine Zigarette. Das Rauchen wollte er sich eigentlich abgewöhnen,
aber das war in dem Moment auch egal. Jubelnd erreichten wir die
asphaltierte Straße nach Lyndhurst. Tzz, Landcruiser! Kann ja jeder!
Habe ich ein weißes Auto gekauft? |
So kamen wir also in das letzte Kaff
vor der großen, unbefestigten Straße. Hier lag absolut der Hund
begraben. Oder eben das Wildpferd. Auch am nächsten Tag wusste
keiner so genau, wann die Straße wieder geöffnet wird. Zitat:„My
friend - Maybe today, maybe tomorrow, maybe the day after. Maybe.“
Wir statteten daher der Polizeistation im nahen Leigh Creek, was man
schon wieder fast als „Ort“ bezeichnen kann, einen Besuch ab. Der
Sheriff erzählte uns, dass die Straße wohl für mindestens zwei
weitere Tage geschlossen bleibt und danach erst mal nur für
Allradfahrzeuge geöffnet wird. Und mit Allradfahrzeug meinte er
keinen gammligen Subaru, sondern ausgewachsene Geländewagen. Aber
selbst die würden momentan dort stecken bleiben. Er hätte ein
flaues Gefühl im Magen, weil er sich morgen mit seinem übertrieben
großen Nissan (mit drei Ersatzreifen) auf den Weg machen müsse um
den Leuten zu helfen. Der Track ist nur bei absoluter Trockenheit
überhaupt von 2WD-Fahrzeugen befahrbar, und auch dann eine harte
Belastungsprobe fürs Material. Durch Zufall trafen wir wieder die
Mädels, sie waren dem Regen vorausgefahren und auf besagtem Track
stecken geblieben. Sie hatten sich dort einen Platten geholt und wohl
auch eine Radaufhängung gebrochen.
Lyndhurst ist am östlichsten roten Zipfel... |
Wir haben also leider keine Chance und
müssen zurück nach Port Augusta, um über den Stuart Highway zum Red
Center zu gelangen. Tür zu, Musik an, weiter geht’s!
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