Haset Gonn!
Da saß ich also mal wieder in meinem
Auto und hatte keine Ahnung, wie es weiter gehen sollte. Ein tolles
Gefühl! Nein, das ist zur Abwechslung mal nicht ironisch gemeint.
Ich beschloss, zunächst das Wochenende abzuwarten, da sowohl David
als auch Lyn ja meinten, mir wahrscheinlich einen Job vermitteln zu
können. Generell muss man wissen, dass Absprachen, Termine und
Versprechen mit und von Australiern mit Vorsicht zu genießen sind.
Natürlich war alles nur leere Luft, und am Dienstag war endgültig
klar, dass ich wieder auf mich alleine gestellt bin. David hat jedoch freundlicherweise mit einigen Farmern in der Region telefoniert und meine Arbeit angepriesen. Ich bin wirklich froh, damals den Abstecher auf die Manberry Station gewagt zu haben. Vor Allem im Vergleich mit anderen Geschichten, die man von Reisenden so hört war das ein echter Glücksgriff.
Süden, Osten oder Norden? Um die Frage
vorab zu beantworten: Gar nichts davon. Und nein, ich bin nicht noch
weiter gen Westen auf eine einsame Insel im indischen Ozean gereist.
Ludwig wurde auf dem Weg nach Carnarvon wieder ein wenig wärmer als
sonst, und auch Davids Rückkehr verschob sich nach hinten. Ich muss
mich noch mit ihm treffen, um Papierkram zu erledigen. Auch könnte
ich zur Not immer noch für ein paar Wochen auf die Station, um die
Tage „specified work“ für mein Visum vollzukriegen. Alles in
Allem beschloss ich also, zunächst in Carnarvon zu bleiben und für
mindestens 3 Wochen Arbeit zu finden. Im Anschluss wollte ich dann
ganz gemütlich weiterreisen und unterwegs nochmal Ausschau nach
einem lukrativen Job für 1-2 Monate halten.
Damn, wieder keine Eier... |
Als ich morgens früh um 9 auf dem
bekannten Campingplatz aus meinem Auto kroch, stieg mir ein beißender
Geruch in die Nase. Eine Mischung aus altem Müll und totem
Frettchen. Ach du Kacke, was ist hier denn passiert? Ich durchsuchte
das ganze Auto und konnte es irgendwann auf die linke Seite des
Wagens eingrenzen. Sollte ich etwa die verlorene Bratwurst finden?
Irgendwie hatte ich letzte Woche 6 gebraten und nur 5 gegessen.
Geschlagene 10 Minuten suchte ich alles ab, bis der Verdacht auf
meine leicht undichte Schiebetür fiel. Der Gestank kam tatsächlich
immer mit einem kleinen Windstoß. Die Auflösung: Es waren zwei
Franzosen, die ein paar Meter neben mir ihre Sachen ausbreiteten. Es
ist mir ein absolutes Rätsel, wie man so derbe stinken kann. So
schnell wie möglich packte ich meine Sachen und machte ich mich auf
den Weg. Ich fuhr zum „harvest trail“, der Straße in Carnarvon,
wo sich eine Farm an die Andere reiht. Hier wollte ich einfach die
Farmen abklappern und stumpf nach Arbeit fragen. Offenbar war ich
aber nicht der Erste – an fast jeder Einfahrt sah man dicke
Schilder, die den Zutritt verboten oder direkt darauf hinwiesen, dass
es keine Arbeit gibt. Oder beides. Oder beides in doppelter
Ausführung. Das ganze war auf den ersten Blick sehr frustrierend.
Allerdings machte mich die Tatsache stutzig, dass Farmen generell
immer mal wieder Arbeitskräfte brauchen, die Schilder oftmals jedoch
fest installiert und ein paar Jahre alt waren. Das ergab irgendwie
keinen Sinn. „Dreist gewinnt“ stimmt in in Australien ohnehin,
also suchte ich mir die größten, eindeutigsten Schilder aus um mein
Glück zu versuchen. „striclty no entry without permission – NO
WORK“ - klingt gut!
Am Ende des Tages hatte ich zwar keinen
Job, aber viel erlebt. Ich habe mich auf einer Auffahrt im Kies
festgefahren, interessante Gespräche geführt („Amber Merkel is
like Hitler but with a pen!“), wurde von aggressiven Hunden vom Hof
gejagt und habe einen Deutschen getroffen, der sich vom Freund seiner
Geliebten versteckt hat. Die Schilder sind oftmals nur Abschreckung,
da zu viel Staub die Pflanzen tötet. Bei der unbefugten Zufahrt
würden die Leute generell langsamer fahren. Aha, gut zu wissen –
Jobs gebe es im Moment jedoch trotzdem nicht. Ich erfuhr, dass die
Zwiebelernte vor der Tür steht und fuhr dem Geruch nach die Farmen
ab. Die eine große Bananenfarm, die auch Zwiebeln anbaut hätte aber
schon etwa 300 Namen auf der Liste. Alles klar, Lebenslauf trotzdem
abgegeben und weiter gings. Auf dem Rückweg zum Campingplatz bog ich
noch in eine unscheinbare Auffahrt ab. Lediglich ein kleines Schild
„409“ war zu sehen. Ich fand einen dicken kleinen, unendlich
haarigen Kerl zwischen den Weinreben. Er ignorierte mich zunächst
und lief stumpf an mir vorbei. „Job?“ schnauzte er mich plötzlich
von der Seite an. Er sagte, der Job sei total simpel, bloß Löcher
buddeln, aber die letzten 3 Leute hätten nach einer Stunde
aufgegeben. Ich könnte ja um 7 vorbeikommen. Meine Frage nach der
Bezahlung beantwortete er nur mit einem dreckigen Lachen. Was für
eine Gestalt. Bauernopfer gibts offenbar nicht nur beim Schach.
Abends ließ ich mir die ganze Sache
dann nochmal durch den Kopf gehen. Australische Landmenschen sind
manchmal ein wenig komisch, und vielleicht muss man ihnen eine Chance
geben. Ich stellte meinen Wecker auf 6 Uhr und fuhr am nächsten
Morgen wieder zur Farm Nummer 409. Anstelle einer Begrüßung bekam
ich einen Bohrstab in die Hand gedrückt. Löcher für die
Hauptpfosten der Weinreben mussten gebuddelt werden. Auf Nachfrage
erfuhr ich immerhin seinen Namen: Oscar. Und wehe ich grabe die
Löcher nicht tief genug, die Leute vor mir hätten alle geschummelt!
Es war wohl der anstrengendste Tag meines Lebens. 40 Grabungen später
durfte ich die Löcher noch mit großen Holzpfosten bestücken. Das
alles in der prallen australischen Sonne - um 1 Uhr mittags war total
am Ende. Aber stolz wie Oscar, so lange durchgehalten zu haben. Am
nächsten Morgen um 7 ging der Spaß weiter. Oscar aus der Tonne fuhr
seine haarige Wampe schließlich zu meinem Feld, um meine Arbeit zu
begutachten. Leider habe ich kein Bild von ihm. Oh oh, jetzt kommt
die Oscarverleihung. Er brummelte vor sich hin und nörgelte
irgendetwas von wegen schlampiger Arbeit und zu kleinen Löchern. Ich
erklärte ihm, dass ich alle Löcher bis zur Markierung gegraben habe
und beim Bestücken mit den Pfosten wahrscheinlich Erde nachrutscht.
Nein, kann nicht sein... Visum hin oder her, will ich wirklich 3
Wochen alleine bei diesem Mistkäfer Löcher buddeln und mich
anmaulen lassen? Der intelligente Leser erkennt, es handelt sich um
eine rhetorische Frage. Ich besorgte mir einen fairen Gehaltscheck
und die Unterschrift fürs Visum von seiner ebenfalls recht
eigenartigen Frau und fuhr vom Hof.
Auf dem Rückweg hatte ich eine neue
Nachricht auf der Mailbox, irgendetwas von Zwiebeln, mehr habe ich
nicht verstanden. Ich folgt erneut dem penetranten Geruch und eine
Stunde später saß ich in einem Gabelstapler und fuhr Zwiebeln durch
die Gegend. Eine weitere Stunde später fuhr ich einen übertrieben
großen Traktor mit Gabelstapleraufbau über öffentliche Straßen.
Führerschein? Lizenzen? Die Farmer kannten lediglich meinen Namen.
Am nächsten Tag hieß es Zwiebeln ernten. In sogenannten Roads sind
jeweils 6 Reihen Zwiebeln. Man dreht sie heraus, schneidet die
Wurzeln und Sprösse ab und legt sie in einen Korb. Etwa 20 Körbe
passen in einen Bin, für den man 50 Dollar bekommt. Die meisten
Pflücker kommen auf 10-15 Dollar Stundenlohn – kein wirklich guter
Deal, aber immer noch besser als Birnen pflücken in Shepparton. Die
Arbeit ist außerdem auf Dauer sehr anstrengend, die Finger versuchen
sich gegenseitig mit Blasen zu übertrumpfen. Alles riecht nach
Zwiebeln. Glücklicherweise bin ich nicht zum Zwiebeln pflücken
dort. Nein, ich habe diesmal richtig Glück gehabt. Der Tag war eine
Ausnahme – ich bin beim Farmer direkt angestellt, und zwar als
Traktorfahrer!
Einen Tag nur Zwiebeln, Fliegen und Ich |
Morgens um 4 geht der Wecker. Mit dem
ersten Tageslicht um 5 Uhr steige ich das fahrende Metallkonstrukt
und mache mich auf den Weg zum Feld. Traktor fahren an sich ist nicht
schwer, wenn man sich erst einmal an die 16 Gänge gewöhnt hat.
Knifflig ist jedoch die Bedienung der Gabel, da diese sich oft hinter
dem Motorblock verbirgt. Vor allem das Stapeln von vollen Bins in
schwierigem Gelände ist dabei nichts für schwache Nerven. Zusammen
mit Stefano, dem Traktorfahrer einer anderen Farm bin ich für die
etwa 30 Erntehelfer zuständig. Eine Hälfte davon sind Backpacker
aus allen Ecken der Welt, die andere Hälfte sind dunkelhäutige
Menschen von ärmeren Inselregionen um Fiji und Vanuatu, die Geld für
ihre Familien zuhause verdienen. Ich fahre den Traktor oft nur wenige
Zentimeter zwischen den Arbeitern und Bins durch die Reihen, während
die Pflücker ihre Körbe ausleeren. Uralte Bins fallen teilweise
auseinander, Bienenkästen stehen im Weg und der Farmhund legt es
generell darauf an, überfahren zu werden. Die ganze Sache „Trecker
fahren“ ist in diesem Fall wirklich nicht so einfach und eintönig,
wie es sich zunächst anhört. Immer wieder gibt es knifflige
Situationen und extrem enge Passagen. Man sollte stets hellwach sein,
wenn man 1500 Kilo Zwiebeln, die einem die Sicht versperren über
holprige Feldwege zwischen den Arbeitern von A nach B chauffiert.
Meine Aufgabe ist dabei auch Kontrolle und Koordination der Arbeiter
und Buchführung. Es muss schließlich fair bleiben und am Ende des
Tages muss die Liste stimmen. Unfassbar, wie viele Zwiebeln so ein
Feld hergibt. Die gesamte Farm steht mittlerweile voll mit Zwiebeln,
groß und klein, weiß und rot. Etwa 100 Tonnen Zwiebeln warten
darauf, dass die Sortieranlage vor unserer Cottage endlich richtig
funktioniert.
uuups... |
Jeden Tag fahre ich mindestens 10
Stunden Traktor und es wird nicht langweilig. Der perfekte Job, da
ich bei 20 Dollar Stundenlohn auch noch jede Menge Geld an die Seite
legen kann. Bis jetzt haben sogar alle überlebt! Nur ein Este musste
mit einen Spinnenbiss ins Krankenhaus. Er hatte sich für die
Mittagspause mitten in die Bananenplantage gesetzt. Auch umgekippt
ist mir bisher nur einmal ein Stapel leerer Bins – keine große
Sache. Stefano hat gestern jedoch 2 volle Bins gecrasht, die offenbar
nicht richtig gestapelt waren. Er ist ausgerastet, wie ich noch nie
einen Menschen ausrasten gesehen habe. Zu zweit brauchten wir eine
halbe Stunde, die knappe Tonne Zwiebeln wieder in die Bins zu
schaufeln. Mit Radio und Klimaanlage den Traktor durch die Gegend
hustlen und die Zwiebelernte koordinieren – es gibt wirklich
schlimmere Jobs. Jeden Tag muss ich mir neidische Kommentare und
Sprüche anhören. Abwarten, ob das ganze wirklich 6 Wochen so weiter
geht. So lange soll die Zwiebelernte nämlich andauern, aber hier
ändert jeder mindestens zwei mal täglich seine Meinung. Sollte die
Situation so bleiben werde ich aber auf jeden Fall bis zum Ende
bleiben, denn besser hätte ich es kaum erwischen können!
TRECKER FAAAAAHN |
Heute ist das erste mal keine Arbeit,
da die Westküste von einer Hitzewelle heimgesucht wird. 37° im
Schatten klingt nicht sooo extrem, aber ihr müsstet euch mal hier
draußen vor unserer Cottage in die Sonne stellen. Länger als zwei
Minuten hält das keiner durch! Cottage? Ja, ich wohne mittlerweile
mit 5 Pflückern in einem Schuppen direkt auf der Farm. 3 Deutsche um
die 30 und zwei jüngere Franzosen leisten mir jeden Tag
Gesellschaft. Eine tolle Truppe, da habe ich echt mal wieder Glück
gehabt! Hinter den Farmen soll es ein ziemlich geniales Partyleben
geben, wenn mal keine Arbeit ist, da sich dann immer alle an einer
der Cottages treffen. Ich bin mal gespannt! So, ich werde mir jetzt
zum Mittagessen ein wenig Fleisch braten. Mit frischen Zwiebeln.
Amelie, Chris, Susi, Thorsten, Thomas |
Have a good one!