27. Oktober 2013

Süden, Osten, Norden?

So, mit dem letzten Eintrag wäre das philosophische Blabla ja erledigt. Aber was ist in den letzten 2 Wochen passiert und wie geht es jetzt weiter? Eine der beiden Fragen kann ich sogar beantworten. Extra für Schiffer diesmal auch wieder mit Bildern!

Als ich nach erfolgreich durchgammeltem Wochenende in der Dämmerung wieder auf der Manberry Station eintraf, lernte ich Deb und Lyn kennen, Freunde der Familie Gooch. Das sympathische Rentnerpaar lebt seit 12 Jahren „on the road“ und war schon so ziemlich überall in Australien. Sie sollten mit mir für zwei Wochen die Station schmeissen, da David und seine Mum nach Perth aufbrachen. Ein großer Roadtrain erreichte die Station und etliche staubige, etwa 250kg schwere Heuballen wollten abgeladen werden. Dazu bin ich auf den Truck geklettert, habe mich zwischen die Ballen geklemmt und diese zur Luke gerollt. Nachdem ich an Allergie fast gestorben bin wurde das Gefährt zum Cattle Truck umfunktioniert und sämtliches Vieh verladen. Damit war das Thema Viehverkauf entgültig erledigt, und Lyn und ich durften uns wieder dem geliebten 4km langen Zaunstück am Ostende des Grundstücks widmen. 6 Reihen Gammeldraht wollten entfernt und durch 4 Reihen neuen Draht und 2 Reihen Stacheldraht ersetzt werden. Ich arbeitete meist eigenständig, da Lyn auch für das Checken der Windräder und Tränken zuständig war.

Am letzten Wochenende habe ich dem berühmten Örtchen Coral Bay einen Besuch abgestattet. Touristisch, aber wirklich sehr idyllisch war es eine willkommene Abwechslung zum Campingplatz in Carnarvon. Am traumhaften Strand lernte ich einige (natürlich) Deutsche kennen. Wir haben uns gehörig erschrocken, als direkt vor uns ein ausgewachsener Waran durch den Sand gekrochen kam. Den Abend ließen wir bei ein paar Bierchen und Kartenspielen im wirklich guten Hostel und am Grillplatz ausklingen. Schockierend an Coral Bay war, dass wirklich alle Menschen überall Deutsch gesprochen haben – wo bin ich denn hier!?


In der letzten Woche stand dann wieder Fancy Fencing auf dem Programm. Ich war wirklich froh, am Donnerstag Nachmittag den hoffentlich letzten Haken meines Lebens an den fast schon an mir festgewachsenen Draht machen zu dürfen. Ich machte mich auf den Rückweg, und keine Minute später hörte ich ein dezentes „Pfffffffff....“ von hinten links – ein Geräusch, welches man alleine mitten in der Wüste nicht gerne hört. Scheisse. Der Reifen war Platt, und zum Wagenheber im Fußraum fehlte die passende Kurbelstange. Ich klemmte den Wagenheber also irgendwie unter die Blattfedern und benutzte einen Schraubenzieher zum Kurbeln. Das kam an die Grenzen des Schraubenziehers und war echt anstrengend in der prallen Sonne, da zudem der Boden eine enorme Hitze ausstrahlte. Nach einer geschlagenen Stunde konnte es dann weitergehen, allerdings nur für eine Dreiviertel Stunde. Knapp 5km vor der Farm kam wieder ein „Pfffff...“, diesmal von vorne rechts. Zwei Platten auf einer Strecke – die einzigen beiden in den 2 Monaten auf der Station. Jackpot! Ein zweites Ersatzrad gab es nicht, also schnappte ich meinen Rucksack, füllte die Wasserflasche und machte mich zu Fuss auf den Weg. Mir kamen schließlich Lyn und Debbie entgegen, die sich vor Lachen kaum einkriegten. Flow the tyre puncher!
Lyn und Ich nach getaner Arbeit

Bevor ich die Station verließ musste ich allerdings auch noch ein wenig negatives Karma sammeln. Ich bekam die Magnum 22 in die Hand gedrückt und sollte ein Känguru in etwa 70m Entfernung erschießen. Es gibt zu viele Kängurus in der Region, und verwurmte und abgemagerte Tiere werden erschossen. Ein guter Jäger schafft 60 Kängurus pro Nacht. Die Zahl kommt von Julius, also alle Angaben ohne Gewehr Gewähr. :-P
Ich habe nie zuvor geschossen, weshalb der erste Schuss natürlich total daneben ging. So ein Kängurukopf in der Entfernung ist aber auch wirklich klein! Dem Tier war es aber total egal, dass gerade eine Kugel an seinem Ohr entlang geflogen kam und blieb stumpf stehen. Der zweite Treffer saß schließlich, aber das Tier lebte noch. Mit einem Hammer muss dann auf den Hinterkopf geschlagen werden, um das Genick zu brechen. Kein schönes Erlebnis und kein schönes Geräusch. Lyn zog schließlich noch ein wenige Tage altes Kängurubaby aus dem Beutel. Fuck. „I cant do this“ sagte ich, wobei mir ein Kloß im Hals stecken blieb. „Well, you have to“. Ich schwang erneut den Hammer und Blut spritzte auf mein Bein. Immerhin hatten die Kängurus einen besseren Tod, als langsam in der Wüste zu verhungern – schön war es trotzdem nicht. 


Gestern habe ich auf dem Weg nach Carnarvon die Blowholes besucht. Dafür ging es nicht in einen Swingerclub, sondern etwa 50km vom Highway entfernt an die schroffe Felsküste. Dort gibt es Löcher im Boden, durch dass das Wasser der Tidenhübe geschossen kommt. Es war recht stürmisch und das Wasser wurde teilweise mit Ohren betäubendem Lärm in knapp 10m Höhe katapultiert. Sehr beeindruckend, aber nach einem halben Stündchen hat man auch alles gesehen.

Doof, dass ich genau im Wind stand...

Mittlerweile bin ich wieder in Carnarvon und gespannt wie es weitergeht. Die Haare wachsen langsam nach, je nachdem ob ich zum Rasierer greife oder nicht kann ich mich momentan zwischen Trucker und Knasti entscheiden. Meinen Lohn der letzten 6 Wochen habe ich mit einer einzigen Überweisung bekommen. Einen Vertrag oder Ähnliches gab es nicht – in Australien läuft alles auf Vertrauensbasis. Ich gammle noch zwei Tage hier ab, da in Davids Postbox ein Brief für mich wartet, aber das Postamt nur unter der Woche geöffnet hat. Außerdem bin ich morgen mit Lyn und Deb zum Lunch verabredet. Die beiden haben Freunde an der Ostküste, die mir vielleicht einen Job geben können. Denn von meinen letzten 6 Monaten möchte ich noch etwa 3 Monate möglichst viel Geld verdienen. Außerdem brauche ich noch recht bald ein wenig „specified work“, um legal mein Visum verlängern zu können. Auch David hat eventuell einen Job für mich an der Hand. Falls sich nichts ergibt werde ich zügig gen Süden fahren und mein Glück bei der momentanen Heuernte probieren. Ludwig wird in letzter Zeit ein wenig warm und ist zunächst nicht richtig angesprungen, nachdem ich mit dem Kompressor der Station den Luftfilter gereinigt habe. Es bleibt also mal wieder spannend. Ich habe keine Ahnung, wo ich in einer Woche sein werde – und genau so muss es sein!

Der letzte Abend auf der Station. Nachts gab es eindrucksvolle Blitze, aber keinen Regen.

Zum Abschluss gibt’s nochmal ein paar Impressionen von der Manberry Station.
Rinjehaun!














26. Oktober 2013

Zeitreise Reisezeit


Hallo ihr Lieben...

es ist Donnerstag, der 24.10.2013 – vor genau einem Jahr begann meine Reise. Aber was macht man auf einem Reiseblog zum Jubiläum? Eine Zusammenfassung der Geschehnisse? Die Highlights in Erinnerung rufen? Neue Bilder, Statistiken? Nichts von Alledem scheint mir angebracht. Wie soll eine Rezension vermitteln, was nicht einmal der beste Reiseblog mit regelmäßigen Einträgen schaffen kann – das Gefühl, sich mit meist möglicher Freiheit von Erlebnissen, Herausforderungen und Wünschen motiviert durch die ferne fremde Welt treiben zu lassen. Jeder ernsthafte Versuch dessen endet in Resignation und der Einsicht, dass Worte, Texte, Bilder und Videos eben immer nur einen winzigen kleinen Teil vom großen Gesamtpaket erzählen können. Jeder wird sich nun denken „na logisch“, doch nur wer bereits in meiner Situation gewesen ist besitzt die Fähigkeit, die Tiefe dieser Erkenntnis zu verinnerlichen. Alles was bleibt ist daher ein Appell, selber diese Erfahrung zu machen. 
Doch braucht es wirklich einen Appell? Andauernd höre und lese ich, dass man es mir gerne gleichtun würde, aber nicht die Möglichkeit dazu hätte. Meine Antwort ist immer gleich: Was hält dich davon ab? Die Antworten darauf beziehen sich dann meistens auf Geld, Zeit und Verpflichtungen. Bullshit. Geld kann man sparen, Zeit hat man solange man lebt und Verpflichtungen kommen und gehen. Man sollte vielleicht nicht überstürzt packen und zum nächsten Flughafen rennen, wenn man hochschwanger und pleite kurz vor dem Diplom steht und auf eine Niere wartet. Doch mit genügend Motivation und dem richtigen Zeitpunkt steht diese Möglichkeit Jedem offen – der Tatsache bewusst, dass unzähligen guten Aspekten einer solchen Entscheidung auch immer einige Negative entgegenwirken.

Das Alles ist natürlich nicht Jedermanns Sache. Natürlich? Jemand wie ich, der - wie man unter Reisenden sagt - „bitten by the travel bug“ bereits mit Reisefieber infiziert ist versteht nur schwer, wie man ein solches Abenteuer NICHT wollen kann. Ich persönlich glaube, es gibt 4 Typen von Reiseverweigerern. 

Typ 1: Der Ledersessel-Muldensitzer. Warum vor die Tür gehen, wenn es Zuhause doch am Schönsten ist? Bekannte Gesichter leisten mir Gesellschaft, im Kühlschrank ist stets ein kaltes Bier und Wikipedia weiß doch eh alles über Australien oder Nepal.
Typ 2: Der Fitness-Studio-Jahresabo-Besitzer. Das sieht nicht gut aus in meinem Lebenslauf. Ein Jahr auf Reisen ist ein verlorenes Jahr auf dem Weg zu Karriere, Geld und hübschem Haus mit Kies-Auffahrt.
Typ 3: Der Nach-dem-Wochentag-Fragende. Was bringt mich ans Ende der Welt, wenn die Motivation gerade so ausreicht, den Alltag zu bewältigen? Das bringt mich auch nicht weiter. Reisen kann ich immer noch, wenn ich alt bin.
Typ 4: Der Klopapier-auf-Vorrat-Käufer. Da kenne ich Keinen, die reden nicht einmal meine Sprache! Was, wenn ich krank werde? Ich kann das nicht.

Um die Frage wieder aufzugreifen, ob ein Appell von Nöten ist: Ich denke ja! Es ist ein wenig so als wenn man mit Freunden einen Film schaut, den man selbst schon gesehen hat: Die Kumpels sollen ihn auch sehen und dürfen nichts verpassen. Man hat einfach den Drang, die Begeisterung für etwas zu teilen. Mit dem Reisen ist es nicht anders – wer das verstehen will, muss es selber tun. 
Typ 1 aber wird so lange in seinen Sessel pupsen, bis er gelangweilt ist und seinen Horizont erweitern möchte. Typ 2 ist ohnehin verloren und kann nur mitleidig belächelt werden. Bei Typ 3 und 4 gibt es jedoch Aussicht auf Erfolg - Packt euren Rucksack, ihr werdet es nicht bereuen. Ich habe mit etlichen Reisenden gesprochen, die nach langem Zögern den Schritt zur großen Reise gewagt haben. Typ 3 findet seinen Weg oder kommt sich selbst zumindest ein Stückchen näher. Typ 4 hat Heulkrämpfe und Heimweh, überwindet sich aber irgendwann, wird selbstsicherer und aufgeschlossener. Ich selbst war wohl Typ 3, als mich vor einigen Jahren Reiseblogs dazu animierten, meine Sachen zu packen – die absolut richtige Entscheidung!

Man, wie schnell ein Jahr vergeht – nicht. Mir kommt es eher vor, als sei es schon 3 Jahre her, dass ich meine Familie ein letztes mal gedrückt habe und in den Flieger nach Abu Dhabi gestiegen bin. Es ist einfach so viel passiert in der Zwischenzeit. Man erlebt, bewältigt und lernt viel mehr, als man es normalerweise in einem Jahr tun würde. Mit einem ganzen Jahr auf Reisen kommt auch die Frage nach einem Ende dessen auf, worüber ich mir in der letzten Zeit einige Gedanken gemacht habe. In genau 2 Monaten ist Weihnachten, in genau 4 Monaten ist mein Geburtstag und in genau 6 Monaten verfällt mein Open-Return Rückflug. Erst 7 Monate später würde mein 2.Jahres-Visum auslaufen, sofern ich es denn bekomme. 
Ohne zu persönlich zu werden – ich möchte mein Rückflugticket nicht verfallen lassen, aber auch nicht viel eher wiederkommen. Demnach plane ich, in 6 Monaten wieder in Deutschland zu sein. Das bedeutet ein weiteres Weihnachten und ein weiterer Geburtstag ohne Freunde und Familie. Ich glaube danach ist es wirklich an der Zeit, dem Ruf in die Heimat zu folgen – zumindest für einige Zeit. Mit insgesamt 18 Monaten Reisezeit hätte ich dann zwei deutsche Winter übersprungen – Wahnsinn! Das alles ist natürlich wie immer nur eine Planung. Sollte ich mein Visum nicht bekommen bin ich schon eher wieder da, und sollte ich einen pervers lukrativen Job bekommen vielleicht auch erst ein paar Monate später. Aber es ist recht wahrscheinlich, dass ich meinen Hintern im April in Frankfurt aus dem Linienflieger zittere. Also, macht euch nackig und stellt das Bier kalt!

Der Flo

P.S.: Alles Gute zum Geburtstag Däääd! (Auf 2-3 Tage kommt es nicht an und der Erste bin ich sowieso :-P)
24.10.2012

13. Oktober 2013

Rinderwahn

NIx geht: Der Sorryshop hat zu
Wasser, Zucker, Farbstoff, Säuremittel, Aroma, Koffein. Enthält Koffein. Klingt gut! Vollgepackt mit Cola, Schokolade und Keksen wäre mein Kühlschrank wohl der Renner auf jedem Kindergeburtstag. Aber die Energie brauche ich, denn die Arbeit ist teilweise sehr hart. Hart, aber nicht langweilig. Ich weiß mal wieder nicht, wo ich anfangen soll. Seit 4 Wochen habe ich Schelm nun schon nichts mehr von mir hören lassen und viele neue Erlebnisse warten darauf, niedergeschrieben zu werden. Mittlerweile bin ich seit fast 2 Monaten auf der Manberry Station und war die letzten 12 Tage komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Neben dem Supermarkt ist Internet wohl der einzige Grund, die 1.5 Stunden Fahrtzeit nach Carnarvon in Kauf zu nehmen. Stellt euch vor ihr fahrt nur zum Einkaufen und Telefonieren mal eben von Trier nach Köln – verrückt oder? Aus diesem Grund bin ich momentan eben nur selten erreichbar. Als ich dann vorhin über den letzten Hügel vor Carnarvon gefahren bin und plötzlich wieder Empfang hatte war mein Handy erstmal eine Zeit lang tot – Emails, Sms, Whatsapp, Facebook und seine Verwandten kloppen sich stets um die ersten Megabyte. Nun sitze ich etwa 50m von einer gigantischen Bananenskulptur entfernt auf dem Campingplatz und kratze den roten Staub von meinem Laptop.

Ich schiebe die Arbeit mal nach hinten (das kann ich gut!) und berichte zunächst, was sonst noch so passiert ist. Am ersten Wochenende habe ich mit Corni und Natti das Space Center in Carnarvon besucht. Aufgrund seiner geografischen Lage hat Carnarvon bei den Apollomissionen und bei der Beobachtung des Halleschen Kometen eine wichtige Rolle gespielt. Das kleine Museum war jedoch nicht wirklich überzeugend. Man wusste teilweise nicht einmal, was dort eigentlich ausgestellt wurde. Typisch Australien eben – Die Mädels und ich hatten trotzdem unseren Spaß.

Mit den Mädels bei der TONNE DES TODES

Faaahrtwind
In der zweiten Woche kamen Laura und Fabian auf der Farm an. Ich hatte schon seit längerem für David nach Wwoofern gesucht, doch im Raum "Knaawn" ist momentan kaum jemand unterwegs. Sie kamen aus Perth und Laura sollte noch bis zu diesem Wochenende da bleiben. Am ersten Tag stand jedoch nicht Arbeiten auf dem Programm. Zufällig führte die „Australaisian Safari“ Rallye durch das benachbarte Farmgrundstück und wir setzten uns auf die Pritsche des Nissans, um zum Spektakel zu fahren. Hat es sich am Anfang noch wie Achterbahn fahren angefühlt ist es mittlerweile schon Gewohnheit für mich, mit 80 Sachen durch raues Gelände zu brettern – auch auf der Ladefläche. Vor allem wenn David mit dem Auto Rinder treibt ist es echt brutal. Stets gut festhalten und Ducken, wenn mal wieder Äste kommen ist überlebenswichtig. Wir erreichten ein Tor, an dem sich etwa 20 Rinder tummelten. Hier sollen also in Kürze die Fahrzeuge durchfahren? David scheuchte die Tiere noch schnell in den angrenzenden „Wald“, als auch schon die ersten Motorräder angeschossen kamen. Diese Leute sind offenbar verrückt – mit bis zu 160kmh heizen die durch Gelände, in dem öfters Draht herumliegt und jederzeit eine Kuh auf die Straße laufen könnte. Einer hält an und fragt uns Schulterzuckend nach dem Weg. Ein paar Quads und Rallyeautos passierten uns noch, dann kam plötzlich lange Zeit gar nichts mehr. Wir entschieden uns, dem Geschehen entgegen zu fahren und trafen einen Rallyewagen. Der Fahrer erzählte uns, etwa 30 Kilometer vor uns hätte es einen Unfall gegeben. Der Motorradfahrer sei verstorben und der Abschnitt der Rallye abgebrochen worden. Gewundert hatte es mich nicht!


Am folgenden Wochenende trafen wir Fabian in Carnarvon wieder, der irgendwie einen Arbeiter eines Fischerbootes kennengelernt hatte. Der wartete dort auf ein Ersatzteil und hatte Bier über – es gibt Schlimmeres. So verbrachten wir den Samstag also mit anderen Reisenden und ein paar Australiern auf dem Top Deck des Fischerbootes. Ich habe mich riesig gefreut, als die Omi vom Campingplatz mir mein Paket in die Hand gedrückt hat. Ich musste meine Shure SE215 in ihrem Namen bestellen, da die Farm nur ein Postfach hat und Postfächer keine Unterschriften geben können. Das erste mal seit Ewigkeiten, dass ich etwas Auspacken durfte!


Letzten Samstag bin ich mit Laura einfach zum Campen an das Wasserloch auf dem Farmgrundstück gefahren. Zum Schwimmen lud es nicht wirklich ein, aber wir sahen eine kleine Emu-Familie und diverse Echsen. Nachts sind ein paar Rinder hektisch durch das Wasser gerannt. Ich erzählte es Davids Mum, da es eigentlich nicht dem Verhaltensmuster der Tiere entspricht zu Rennen, wenn sie nicht bedroht werden. Sie sagte, in der Sanddüne unweit des Wasserlochs sei ein Aborigine begraben und dessen Geist spüren die Tiere. Ich habe keine weiteren Fragen gestellt. 


Der Kollege war von der Fotosession schon leicht genervt

So, jetzt wäre geklärt was ich so mache wenn ich nicht gerade am Arbeiten bin. Arbeiten? Der Flo? Ja tatsächlich, Montags bis Freitags geht jeden Morgen um 6:18 Uhr der Wecker. Das hört sich jedoch schlimmer an als es ist – die Sonnenstrahlen sind schon warm und kitzeln an der Nase. Kein Tag auf der Farm ist gleich, immer gibt es irgendetwas Neues zu tun. Da ich die einzige richtige Arbeitskraft dort bin werde ich auch so ziemlich in Alles involviert und es entsteht kein wirklicher „Alltag“, was mir persönlich sehr wichtig ist. Ich erzähle einfach mal ganz dreist unchronologisch (weil ichs kann, möhöhöö!) von den verschiedenen Arbeitsbereichen.


Zu den weniger spektakulären Tätigkeiten gehören die Arbeiten rund ums Farmhaus. Rasen mähen, Kanten schneiden, Laub fegen, Bewässerungsgräben bauen oder andere Gartenarbeiten. Fahrzeuge müssen gewartet werden, so sieht man mich auch mal die Crossmopeds ölen, einen Riemen im Nissan austauschen oder Räder am Viehtransporter wechseln. Kühe wollen ab und zu ihr Mineralfutter oder Heu, wenn sie eingezäunt sind und bei der Rundfahrt auf dem Gelände der Station finden wir immer wieder defekte Teile. Neue Bohrstangen schneiden, Gewinde drehen und mit einer portablen (aber sauschweren) Drahtwinde an das Windrad befördern oder nur eben den Floater in einer undichten oder trockenen Tränke reparieren. Ich habe auch schon ein verirrtes Känguru aus einem Stall befreit, Kälber zu ihren Müttern gelotst und ein eingekeiltes Rindvieh aus einem Heuring gezogen. Teilweise kann es auch wirklich anstrengend sein. Ein gutes Beispiel dafür ist wohl letzten Dienstag, als ich mich den ganzen Tag in der prallen Wüstensonne mit einem Handspaten durch eine Sanddüne graben musste, um eine neue Pipeline zu verlegen. Ich bin mal arrogant genug zu behaupten, dass ich nicht viele Leute kenne die dass so durchgezogen hätten. Oft fahre ich aber auch nur irgendwelche Sachen durch die Gegend oder repariere einen Elektrozaun.


Überraschung am Starpicket
Ich hatte ja bereits beim letzten Mal vom Fencing berichtet. Wenn David die Farm verlässt um Diesel zu besorgen oder andere Dinge zu erledigen helfe ich entweder seiner Mutter oder fahre alleine ins Gelände. Aber auch Fabian und Laura habe ich bereits in die hohe Kunst des Zaunentdrahtings eingeweiht. Alter kaputter Draht muss nämlich aufgerollt werden. Dabei wird er an Knotenpunkten abgeschnitten, hinten ans Quad gesteckt und zum Ute mit der Spindel gezogen. Mancher Draht ist so alt, dass er überall Knoten hat und mit den Pflanzen verwachsen ist – andauernd muss man zurück rennen und die hakende Stelle finden. Dementsprechend bekommt der Draht englische und deutsche Schimpfwörter aller Art zu hören. Die Chance dass er beides versteht ist aber nicht schlecht, da es sich oftmals noch um deutsche Kriegsschulden handelt. Die Vegetation in der Zaunlinie wird niedergebrannt, damit der Zaun nicht mit den Jahren einwächst. Mit einem brennenden Grasbüschel rennt man dafür am Zaun entlang – man sollte nur aufpassen, dass der Brand nicht außer Kontrolle gerät. An den Armen und Beinen sehe ich schon aus wie ein gerupftes Huhn, ein kurzer Windstoß hatte dafür genügt. Im Weg stehende Bäume werden mit der Kettensäge zerkettensägt. Ab und zu sehe ich eine Art sandige Windrose, bei den Locals „Billy Billy“ genannt – sehr imposand imposant. Auch frische Schlangenspuren sind keine Seltenheit, doch bisher hatte ich Glück. Das Extreme am Arbeiten im Gelände ist nämlich die Abgeschiedenheit. Sollte ich eine Panne haben oder Irgendetwas passieren bin ich auf mich Alleine gestellt. Den bis zu 40km langen Weg zum Farmhaus durch die Wüste sollte ich mir stets merken. Um 5 Uhr Nachmittags muss ich spätestens zurück sein, ansonsten ist man auf der Farm in Alarmbereitschaft. Dann kann ich nur hoffen, dass irgendwer die frischen Reifenspuren abfährt, um mich zu finden.


Rinder treiben
Richtig heftig sind die Fahrten mit dem Crossmoped. Das fahrende Ersatzteillager unter meinem Hintern hat mehr Power als erwartet – ob 200ccm oder 400ccm macht dabei keinen Unterschied, da das Hinterrad auf sandigem Untergrund so oder so durchdreht. Die Bodenbeschaffenheit macht die ganze Sache auch sehr gefährlich. Davids Vater ist in jungen Jahren mit einem Geländemotorrad verunglückt, weshalb Misses Gooch die ganze Station mit 3 kleinen Kindern alleine geschmissen hat, was sehr beeindruckend ist. Ohne gutes Gleichgewicht haut es Einen sofort von der Maschine, wenn diese mal wieder zu schlingern beginnt. Beim Anfahren gibt es einen Ruck wie im französischen Ankerlift. Keine gute Grundlage für Jemanden, der noch nie richtig Motorrad gefahren ist. Oft lauern Drahtreste auf dem Weg, die sich in den Rädern verfangen können. Sanddünen können nur mit viel Anlauf bewältigt werden. Das ganze hat mit normalem Motorradfahren wirklich nichts mehr zu tun! Zusammen mit David und Cyne, der mal wieder zu Besuch war habe ich eine Herde Rinder quer über das Gelände zu einer präparierten Wasserstelle getrieben, wo diese gesammelt und verladen werden. Dabei muss man seitlich und hinter den Tieren in Schlangenlinien fahren und ausbrechende Tiere zurückholen. Teamwork und gute Analyse des Geländes hat Priorität, wenn das Ganze gelingen soll und man gesund wieder nach Hause kommen möchte – bisher bin ich lediglich einmal im Dünensand steckengeblieben. „Sneller, sneller!“ heißt es in solchen Momenten stets von David, der mit Freude ausgewählte deutsche Wörter lernt. 


Herdenbulle
Das Extremste und Gefährlichste, was ich bisher gemacht habe ist allerdings die Arbeit mit den Tieren. Es war der erste Oktober, zuhause liegen die meisten wahrscheinlich gerade auf der faulen Haut. Ausgerüstet mit einem Stück Plastikrohr stand ich in einem Gitterrondell mit knapp 4 Metern Durchmesser. Im sogenannten „Force“ werden ausgewählte Tiere in den Gang gedrängt, der zur Truckrampe führt. Die wilden, bis zu einer Tonne schweren Rinder haben darauf jedoch nur begrenzt Lust. David hat eine dicke Narbe am Bein, da ihm ein Bulle im letzten Jahr das Knie zertrümmert hat – er hat die Tiere jedoch noch Alle verladen, bevor es ins Krankenhaus ging. Das Ganze ist schwerer als es sich anhört und eine Kunst für sich. Man versucht, die Rinder halbwegs ruhig zu halten und dennoch flott auf den Truck zu kriegen. Jeder Schritt und jedes Geräusch hat Auswirkungen und will gut überlegt sein. Ziel ist es, den Herdentrieb zu nutzen und Alle in einer Reihe auf den Truck laufen zu lassen. Einige können es tatsächlich kaum erwarten ein Hamburger zu werden. Manche Rinder aber treten um sich, versuchen mich auf die Hörner zu nehmen, rennen rückwärts wieder vom Truck herunter, verkeilen sich oder brechen gar aus. Das doofe als Farmhand (Jackaroo) ist, dass man generell immer Schuld ist. Einmal verlor David auf dem Truck die Geduld und verteilte Stromschläge wie Süßigkeiten zu Weihnachten – ein großer Bulle rannte wieder hinab und ich konnte das Tor nicht rechtzeitig schließen. Meine Schuld, ich habe den Bullen wütend gemacht, rein da! In dem Moment hatte ich wirklich Angst. Dem Bullen war nicht wirklich nach Gesellschaft und in der gleichen Sektion war auch eine Kuh, die mich zuvor schon angecharged hatte – ich musste mich mit einem Sprung über den Zaun retten. Es ging jedoch Alles gut und irgendwann waren alle 42 Tiere auf dem alten Truck. Der war dadurch jedoch schwerer (tiefer) als zuvor und die Ketten waren nicht mehr zu lösen. Verdammt, daran hatte niemand gedacht. Nach einer waghalsigen Aktion mit einer großen Eisenstange konnte es endlich weiter gehen. Mittlerweile waren einige Tiere im Truck zu Boden gegangen und konnten nicht mehr eigenständig aufstehen. Ich musste hinaufklettern, mich an die Deckenstangen des Trucks hängen und die übrigen Rinder an die Seite drücken. In solchen Situationen ist es ratsam, nicht loszulassen. Auf der Fahrt zum Yard beim Farmhaus, wo die Tiere gesammelt und sortiert werden platzte mal wieder einer der alten Reifen. Egal, der Truck kommt auch so an sein Ziel. Nach ausgiebigem Lunch ging es schließlich zum „Drafting“, wobei die Tiere sortiert werden – männlich / weiblich, gemarkt / ungemarkt, mager / fett. Je ein Loch oben und unten im linken Ohr ist das Erkennungszeichen der Manberry Station. Mitterweile sind fast alle Tiere im Yard und die ersten wurden bereits verkauft und abtransportiert. Alles in Allem bin ich wirklich froh, so intensiv auch in diesen Arbeitsbereich hereinschnuppern zu können. 

  

Ein paar Vögel nisten auf einem Windrad. Im Hintergrund ein "Yard".
Ich werde zunächst für 2 weitere Wochen auf der Manberry Station bleiben und dann versuchen, noch woanders Erfahrungen (und Geld) sammeln zu können. Im Süden beginnt so langsam die Heuernte, und trotz Heuschnupfen würde ich mir das Ganze gerne mal ansehen. Vorerst bin ich also weiterhin selten erreichbar. Ach ja, letzte Woche habe ich mir mal die Haare abgeschnitten. Wollte ich schon immer mal ausprobieren und in der australischen Wüste juckt es ja auch Keinen. Nur die Kakadus schauen mich jetzt an wie einen Schwerverbrecher. Bis in 2 Wochen oder so, lasst mal was von euch hören / lesen!

Flo 
Zur Gewöhnung ein paar Glatzenbildchen. Der Geier ist ratlos.