Die Stimmung auf der Fähre war eher
getrübt. Es regnete in Strömen, die Elektrik vom Auto spackte rum
und ich hatte mir mal wieder meinen linken großen Zeh an irgendeiner
Türschwelle zermatscht. Der hat echt gelitten, mein linker großer
Zeh. Auch das Hostel in Wellington besserte meine Laune nicht: Das
Nomads dort ist genauso beschissen wie das Nomads in Melbourne. In
den dunklen, miefenden Höhlen die man dort als „Dorms“
bezeichnet stehen Betten, die durch bloße Atembewegungen zum
Quietschen gebracht werden können. Bemerkenswert! Ich verbrachte den
Abend also damit, deutsche Hausfrauen im Online-Scrabble zum Weinen
zu bringen. Nach einem Besuch im kostenlosen Nationalmuseum „Te
Papa“ verließen wir die Hauptstadt Neuseelands am nächsten Morgen
schnurstracks gen Norden. Immerhin das mediale, interaktive Museum
hatte Einiges zu bieten: Neben einem Blauwalskelett ist dort auch ein
Riesensquid in einem großen gläsernen Sarg eingelegt und
ausgestellt. Man hat weltweit erst 3 dieser faszinierenden Tiere zu
Gesicht bekommen, da sie in enormer Tiefe leben und normalerweise
auch dort bleiben.
Vincent gönnte sich einen Mützenladen
voll Schlaf, während ich immer weiter die Westküste hinauf fuhr.
Erst in Wanganui hielten wir wieder an – wir sind mal eben ein
Drittel der Nordinsel hoch gefahren. Verblüffender Fakt am Rande:
Neuseeland kleiner als Australien. In Wanganui folgten wir einem
schmalen Schacht in die Mitte eines Berges. Hier kann man sich von
einer alten Dame in einem 95 Jahre alten Aufzug auf dessen Spitze
fahren lassen. Es machte ein wenig den Eindruck, als würde die arme
Omi in dem Aufzug wohnen. Gut durchgeschüttelt und 2 Dollar ärmer
erklommen wir den gemauerten Turm dort und genossen die Aussicht.
Selbst der gewaltige Mt Egmont zeichnete sich am Horizont ab.
Die Nacht verbrachten wir in einem
umzäunten Naturreservoir bei Eltham an einem idyllischen See. Ein
echter Geheimtipp! Eine Schleuse verhindert hier das Eindringen von
Ratten, Igeln und anderen Tieren, die die heimischen Tierarten
bedrohen. Wir teilten uns den Ort nur mit einem älteren Kiwipaar.
Ich wollte gerade Kochen, als die Frau auf mich zukam und mir einen
Topf unter die Nase hielt. „Cooked too much. Help yourself!“ Wir
verbrachten den Abend also mit Gordon und Michelle, die in der „Bay
of Plenty“ im Nordosten des Landes wohnen. Das sympathische Paar
lud uns sogar zu sich nach Hause ein, sollten wir noch in die Region
kommen.
Ein vergessener Tunnel |
Unser nächstes großes Ziel war der
Tongariro National Park. Dorthin gab es nur einen direkten Weg: The
forgotten Highway. Die Straße hat ihren Namen nicht ohne Grund –
sie führt durch absolutes Niemandsland. Es war so eine der Straßen,
die mein Vater „Motorradstrecke“ nennen würde. Aber gut,
eigentlich besteht Neuseeland nur aus solchen Straßen. Ein paar enge
Kurven, Tunnel und 50.000 Schafe später erreichten wir den Ort
Whangamomona. Dieses kleine Kaff mitten im Nirgendwo ist eine eigene
Republik innerhalb Neuseelands. Mit dem Stempel in meinem Reisepass
habe ich nun sogar Wahlrecht! Momentaner Präsident ist der
Dorfmechaniker, der vorherige Präsident war eine Ziege. Wir spielten
ein paar Runden Pool im einzigen Pub des Dorfes, während eine
ausgebüchste Kuh am Fenster vorbei trabte. Ein Rastplatz am Rande
des Nationalparks war unser Quartier für die Nacht. Es war kalt,
regnete und unter den 24 Reisenden dort waren 22 Deutsche. Wozu bin
ich nochmal ans Ende der Welt gereist?
Die Antwort sollte der nächste Tag
bereithalten. Wir waren mal wieder überhaupt nicht vorbereitet und
folgten einfach ein paar anderen Reisenden zum Endpunkt der
„Tongariro Alpine Crossing“. Dort wird man dann über die Risiken
informiert und zum Startpunkt der Wanderung gefahren. Das muss man
eigentlich buchen – Man kann aber auch die Busfahrer abgrasen und
es sich mit zu wenig Geld für ein Ticket auf den Notsitzen bequem
machen. Fuckin' backpackers! Auch die Wahl meiner Schuhe sorgte mal
wieder für Aufregung. Von „Isch des dein Ernscht?“ bis „Hoooly
Shit!“ war alles dabei. Ich bin offenbar der erste, der die
Neuseeländischen Alpen in Gummiflipflops überqueren möchte.
Weicheier.
Über alte Lavafelder zum Tongariro |
Mut und Leichtsinn liegen wie immer
dicht beianander, und mit den ersten Sonnenstrahlen kann ich meine
Zehen sogar wieder spüren. Der Track geht stetig bergauf und wir
gönnen uns eine kleine Pause, während dessen ein Bayerntrikot nach
dem Anderen an uns vorbei gelaufen kommt - Willkommen in Neuseeland.
Irgendjemand hat einen kleinen Lautsprecher dabei und spielt die
Titelmusik von „Herr der Ringe“ in Dauerschleife ab. Der
gewaltige Mount Ngauruhoe zu unserer Rechten war im Film als
Schicksalsberg im Lande Mordor zu sehen. Die Wolken verziehen sich
nach Isengard und der aktive Schichtvulkan präsentiert sich von
seiner besten Seite. Am Kraterrand des durch Eisenoxide rötlich
verfärbten Kegels treten weißliche Gase aus.
Flodo und Sam-Vince am Mount Doom |
Wir durchqueren eine große
Kraterebene und ich stelle fest, dass ich meine Sonnenbrille bei der
letzten Pause habe liegen lassen. Vincent lacht sich schlapp. Meine
Sonnenbrille führt kein besseres Leben als mein linker großer Zeh.
Möge der neue Besitzer sie in Ehren halten! Doch auch Vincent
blinzelte in die Sonne – seine Brille liegt irgendwo bei Toms Boot
am Grunde des Hafenbeckens. Vor nicht einmal einer Woche haben wir
uns noch um das eine Brillenetui gekloppt... Es geht doch schließlich
nichts über gute Vorbereitung und angemessene Ausrüstung!
Nach einem weiteren Anstieg erreichen
wir den „red crater“, wo es einen eindrucksvollen, tief roten
Schlot zu bewundern gibt. Einige Meter weiter dampft mal wieder die
Erde. In der Ferne hören wir immer mal wieder einen dreifachen,
dumpfen Schlag. Wir können es uns nur so erklären, dass die Orks
bereits auf dem Weg zu uns sind.
Was denkt sich Mutter Natur bei solchen Formen..? |
Der Kraterrand beschreibt den höchsten
Punkt der Alpenüberquerung. Meine Flipflops sind schon ziemlich am
Ende, und das Ziel der Wanderung liegt nochmal 400m tiefer gelegen
als der Startpunkt. Es folgt ein steiler Abstieg durch Geröll, und
die zahlreichen Wanderer stützen sich gegenseitig ab und kriechen
teils seitwärts den Berggrad hinab. Ich bekomme mal wieder einige
wirklich äußerst merkwürdige Blicke ab und laufe barfuß weiter.
Dabei heißt der Berg doch Tongariro!
Vor mir tut sich der Atemberaubendste
Ausblick auf, den ich in meinem Leben je gesehen habe. Was für eine
irre Landschaft! Links sieht man einen großen Kratersee, im
Vordergrund gibt es drei kleinere, grell türkisfarbene Seen. Rechts
tut sich ein eindrucksvolles Tal auf, und im Hintergrund ist der
Schlot und Berggipfel zu sehen. Überall kommt weißer Dampf aus dem
Boden, durch den man ab und zu das Meer am Horizont erahnen kann.
Keine Kamera der Welt kann diesen Ausblick wiedergeben, und ich habe
momentan lediglich ein Handy zur Verfügung.
Neuseeland prollt ordentlich rum |
Ich wage einen kleinen Abstecher zum
ersten der türkisfarbenen Seen und taste mich in den Bereich vor, an
dem Dampf aus dem Boden kommt. Es riecht extrem schwefelig und meine
Füße wünschen sich die morgendliche Kälte zurück – schnell weg
hier! Wir laufen weiter, wobei die Sicht durch all den Dampf
Abschnittsweise extrem schlecht ist. Ein Warnschild am Rande erklärt,
dass man den momentan aktiven, gefährlicheren Teil des
Tangarirogebirges betritt. Die Schicht aus erhärteter Lava, auf der
wir gerade laufen ist jünger als 2 Jahre.
Wir beginnen den finalen Abstieg auf
der Nordseite und passieren einen weiteren, stark dampfenden Schlot.
Hier werden Wolken gemacht! Am Horizont tut sich die Caldera des
Tauposees auf, welcher der größte See Neuseelands ist. Vincent
träumt mal wieder von all den Forellen, die darin herum schwimmen
müssten. Sooolche Brummer! In Kehren laufen wir den Berg hinab und
erreichen schließlich eine Schutzhütte. Im Dach und Boden der Hütte
gibt es jeweils ein großes Loch – im August 2012 wurde die Hütte
bei einem Ausbruch von einem Felsen getroffen. Reparieren will das
anscheinend niemand. Sieht ja auch cool aus, so ein Loch im Dach.
Schutzhütte, pff.
Aus Dämpfen werden Wolken |
Das Gebirge aus der Ferne |
So, mittlerweile bin ich in Auckland
angekommen! Ich versuche, morgen noch einen Eintrag über meine
letzten zwei Wochen auf der Nordinsel hochzuladen. Übermorgen geht
dann auch schon mein Flieger nach Asien, sollte er nicht
verschwinden. Kommt ja neuerdings mal vor. In 25 Tagen bin ich dann
„schon“ wieder in Deutschland!
Haunse
Flo