How are we today!
Nach Hause telefonieren |
Wenn die Sonne am Horizont aufgeht ist
der Sessel im Führerhaus meines „John Deere“ Traktors bereits
ordentlich warmgesessen. Die großen Reifen wirbeln Staub auf, aus
dem Augenwinkel sehe ich Einschusslöcher im Landcruiser, der neben
dem Feld auf dem Dach liegt. Vor mir leert gerade Mr. Wulli seine
Körbe in den Bin. Der nette Vanuatuaner hat größere Arme als ich
Beine habe, kann die Körbe aber keinen Zentimeter tragen. Bei etwa
90% Füllmenge beginnt dann der routinierte Schauspielakt: Die
Zwiebeln werden ganz langsam in den Bin geleert, aber ein paar vorerst
noch im Korb gelassen. Einen fachmännischen Blick und etwas
Rumschieben der Zwiebeln später wird mit großzüger Mimik auch der
Rest des Korbs in den Bin geleert. Ach was solls, heute ist man mal
großzügig! Mit selbstzufriedenem Gesichtsausdruck stellt man sich
dann am besten so vor den Bin, dass man angestupst wird, wenn der
Traktor sich wieder in Bewegung setzt. Anschließend kommt die Kür –
hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Man muss nämlich möglichst
empört und überrascht gleichzeitig schauen, während zum nächsten
Korb gelotst wird. Waaas? Noch einer? Irgendwann ist der Bin dann
aber tatsächlich voll und ich mache einen Haken auf meiner Liste.
So sieht mein Arbeitsalltag aus |
Mittlerweile bin ich der einzige
Traktorfahrer, da die Vanuatu-Crew bei der Weinernte hilft und somit
nur noch um die 20 Pflücker auf dem Feld sind. Zwischenzeitlich war
mein Mitbewohner Thorsten mein Treckeratze – Stefano wurde
gefeuert, da er die eine oder andere Zwiebel auf grausige Art und
Weise mit seinen Reifen in den Zwiebelhimmel befördert hat. Nach gut
4 Wochen auf dem Feld sind sämtliche Bewegungsabläufe Routine, der
Trecker ist quasi in Fleisch und Blut übergegangen. Ich arbeite
meist selbstständig und wechsle wenn überhaupt nur wenige Worte mit
Graham, meinem Supervisor. Farmhund Duc ist mein ständiger
Begleiter. Je nach Lust und Laune schnappe ich mir für eine
Mittagspause den Gator und fahre auf eine eiskalte Cola zur Cottage.
Team Trecker posiert. Farmhund Duc dreht uns irritiert den Rücken zu. |
Eines der Zwiebelfelder ist mit Disteln
überwuchert, da dort beim Sprayen wohl etwas schief gelaufen ist.
Die Pflanzen Disteln zu nennen ist allerdings untertrieben –
hüfthoch, dick wie ein kleiner Baum und die Stacheln lassen gerne
mal einen Finger anschwellen, wie Thomas erfahren durfte. Eines
Nachmittags bekam ich die Gelegenheit ihn zu rächen. Der Boss
drückte mir eine löchrige Hose und den „Whipper Snipper“ in die
Hand. Das Gerät ist leicht modifiziert worden: Anstelle einer
Nylonschnur wurde einfach das Blatt einer Kreissäge ans andere Ende
geschraubt. Nicht wirklich nach TÜV-Norm, aber durchaus effizient.
Gegen 3 ist meist Feierabend, und falls es gerade fließendes Wasser
gibt wird direkt geduscht. Parfüm oder Deo braucht hier Niemand, es
ist Wohltat genug einfach mal nicht nach Zwiebeln zu riechen.
Nach Feierabend sammeln sich dann
meistens noch alle draußen und legen die Füße hoch. Hinter der
Cottage wurde aus allerlei Schrott ein sehenswerter Fitnessbereich
errichtet, der nach der Arbeit jedoch gekonnt ignoriert wird.
Gesprächsthema Nummer Eins sind zu meinem Ärgernis stets die
Zwiebeln. Zwiebeln zu klein, Zwiebeln zu trocken, Supervisor zu
willkürlich und nicht fair. Besonders die eigenen Landsleute sind
Weltmeister im Nörgeln, denn selbst wenn man eine gute Reihe
erwischt hat und am Tag auf 30 Dollar Stundenlohn gekommen ist –
ist doch alles kacke! Manche haben auch einfach keinen
Gesamtüberblick und maulen mich dann an, wenn sie am Ende noch auf
die Abholung ihres letzten Bins warten mussten – man hat ja
schließlich gewunken wie blöde! Macht doch nix, dass Andere schon
länger warten! Ich schildere das daher so genau, weil ich da eine
persönliche Entwicklung festgestellt habe. Zu Beginn habe ich mich
stressen lassen, doch mittlerweile bin ich die Ruhe selbst. Wers
nicht rafft und sich aufregt, ist selber Schuld! Generell ist der
Frust jedoch verständlich – Backpacker sind billige Arbeitskräfte
und werden auch so behandelt. Leere Versprechen, widersprüchliche
Ansagen und falsche oder fehlende Informationen stehen an der
Tagesordnung. Vor allem in Anbetracht des hiesigen
Personalmanagements würde jedem deutschen Unternehmensberater mit
Anlauf das Gesicht entgleisen. Carine, meine neue französische
Mitbewohnerin darf bei der Arbeit (Weinernte) zum Beispiel nicht
reden und bekommt stets eine fette „9“ mit Edding auf den Arm
gekritzelt. Only in australia.
Das "Gym" |
Die Zwiebelsortieranlage |
Aber all das ist nun mal auch Teil der
Erfahrung als Backpacker. Und ich habe als Traktorfahrer wirklich
Glück gehabt. In den letzten 4 Wochen habe ich effektiv (mit Steuern
und Rente) 5000 Dollar verdient - das mag zwar nicht mit den
Bitcoinmillionären zuhause mithalten können, ist aber für einen
Backpackerjob wirklich sehenswert. Ich lebe günstig auf der Farm und
habe tolle Leute um mich. Alles in allem der optimale Job – und
darum bin ich auch noch immer hier! Mein Working Holiday Visum habe
ich bereits um ein weiteres Jahr verlängert. Dazu muss man online 88
Tage Farmarbeit (o.Ä.) nachweisen und saftige 420 Dollar bezahlen.
Ich warte jedoch nach wie vor auf meine Steuerrückzahlung – in
Australien ein Thema für sich.
Am letzten Wochenende hatten wir
tatsächlich mal den Sonntag frei. Wie der Zufall es so wollte war
für Samstag Abend eine Buschparty in Planung – eine Art Testlauf
für Silvester. 10 Jungs von der Nachbarfarm haben sich zusammengetan
und die alte Anlage eines Pubs gekauft. Die wurde in einen nahen
Nationalpark an den Fluss gekarrt und so ziemlich jeder Reisende in
Carnarvon war dort. Zum eigenen Erstaunen musste ich feststellen,
dass meine letzte Party schon 4-5 Monate zurück lag. Krass!
Dementsprechend hat auch mein ominöser Energysekt Wirkung gezeigt...
es war jedenfalls ein toller Abend mit dem Einen oder Anderen
bloguntauglichen Ereignis. Ich habe noch immer ein wenig
Schlafmangel... ich werde alt! Total verkatert besuchten wir am
Sonntagmorgen einen „Car market“. Leider gab aber keine Autos zu
sehen, es war eher ein Flohmarkt. Wir machten das beste daraus und
setzten uns stumpf unter einen kleinen Baum in den Schatten. Für 2
Stunden.
Eine Party im Nirgendwo... |
Der Tag danach war eher so mittel produktiv |
So, entschuldigt den etwas trockenen
und Ereignislosen Blogeintrag – ihr habt es so gewollt! Das wird
sich jedoch bald ändern. Oooh ja! Die Ernte geht noch etwa 2 Wochen,
und dann ist auch schon ganz schnell Weihnachten und Silvester.
Anfang Januar werde ich wieder aufbrechen. Der Süden ruft! Ich habe
noch viel vor, bevor ich im April wieder nach Deutschland komme. Es
gibt sogar schon so etwas Ähnliches wie einen Plan...
Too easy mates!
Flo