16. Februar 2013

Jobsuche in Melbourne

Wenn einen als Backpacker in Australien etwas wirklich richtig nervt, dann ist es die Suche nach einem vernünftigen Job. Die Situation ist noch schlimmer als in den vergangenen Jahren, da das Wetter im Norden verrückt spielt und ohnehin mehr Backpacker als je zuvor unterwegs sind. Mir bleibt allerdings keine Wahl, da ich bei Weitem nicht mehr genug Geld übrig habe um mich mit meinem Auto, was je nach Stimmungslage nach wie vor eine interessante Variation verschiedenster ominöser Geräusche von sich gibt auf den Highway zu wagen und woanders mein Glück zu versuchen. Mein Zuhause für die nächsten Wochen ist daher definitiv Melbourne, und irgendwie muss Geld in die Kasse – soviel steht fest.
Mein Platz am See im Vorort Altona war dafür zunächst eine gute Wahl. Mittlerweile wohne ich seit über einem Monat im Auto und weiß, worauf man bei der Suche nach einem guten Stellplatz achten muss. Nähe zum Strand ist ist immer gut, da dort erstens öffentliche Duschen sind und zweitens Strand! Oft habe ich Gesellschaft von Anglern (ich glaube, jeder Australier angelt...) oder von einem Nerd in Latzhose, der seinem ferngesteuerten Boot Auslauf geben muss. Meistens ist es jedoch erstaunlich ruhig, und wenn die imposante Skyline von Melbourne auf der anderen Seite des Sees nicht wäre würde man nicht denken, dass man in nur 30 Minuten mit dem Bummelzug mitten in einer Stadt mit 4 Millionen Einwohnern ist. Nur eines Morgens stand ein Bus voller Rentner neben mir, als ich aufgewacht bin und starrten mich an. Es war offensichtlich die spannendste Kaffeefahrt ihres Lebens, im Auto vor ihnen hat sich etwas bewegt!


Es ist oft windig
Der Pier in Altona

Am See in Altona - Im Hintergrund glüht Melbourne

DJ D-Sens rüttelt die Palmen fest
Ein Stadtteil geht steil
Letzte Woche war im bekannten Stadtteil St. Kilda ein Open air-Festival. Überall war Musik und buntes Licht, verrückt gekleidete Menschen bestaunten die zahlreichen Straßenkünstler- und Musiker. Besonders beeindruckt haben mich zwei Vietnamesen, die mit der Kombination aus Beatbox und einem Instrument namens Hang richtig gute Musik gemacht haben. Aus einer Bar kamen alle Menschen mit Brottüten, in denen Bierdosen waren. Auf großen, bunten Schildern wurde verkündet, dass es legal ist sogar gleich zwei Dosen Bier auf einmal zu kaufen – zum Schnäppchenpreis von nur 10 Dollar. Da war „Wagners original deutsche Bratwurst“ für nur 8 Dollar sogar noch günstiger. Ein kahl rasierter Hippie im Piratenkostüm kreuzte meinen Weg und fand kaum Beachtung für sein Outfit, da es hier mehr oder weniger normal ist so herumzulaufen wie man gerade Lust hat. Ich traf einige der Leute wieder, mit denen ich noch in Shepparton gemeinsam auf einen Job gewartet hatte. Ihre Erfahrungen beim Birnen pflücken wären nicht so toll gewesen, alles klar. Auf einer großen Wiese am Strand legte ein französischer DJ die härtesten Minimalbeats auf, die ich bisher live je gehört habe. Die Amplitude war so signifikant Der Bassdruck alleine ließ einen automatisch Tanzen, wenn man nur nah genug an die Bühne heranging. Eine Italienerin gab mir ohne Vorwarnung einen Tokio-Stempel auf die Wange, knutschte mich auf den Mund und verschwand bevor ich etwas sagen konnte. Verrückte Welt!


Zurück in Altona stand die Jobsuche wieder auf dem Programm. Kann doch nicht sein, dass sich keiner auf meine zahlreichen Bewerbungen online meldet... ist mein Handy kaputt? Ich erstellte zu meinem australischen Lebenslauf noch einen Flyer, den ich an markanten Stellen im Ort verteilte. Ein netter Mitarbeiter einer großen Druckerei hatte mir sponaten 40 Kopien kostenlos erstellt – dafür hätte ich in der Bücherei über 10 Dollar bezahlen müssen. Zunächst musste ich mir noch Klamotten besorgen, da ich irgendwie nur noch Badehosen hatte. Die Sampler aus dem Sommerschlussverkauf eines Outletstores passten dabei genau ins Budget. Ich stellte mich bei Bäckereien, Restaurants und Eisdielen in Williamstown vor, die per Aushang nach Personal suchten. Eine sehr alte Frau erzählte mir aus ihrer Jugend und beendete das Gespräch damit, dass es selbst für Einheimische schwer sei hier einen Job zu bekommen. Klasse. Tagsüber war ich zudem quasi obdachlos, da es im Auto viel zu warm wurde. 
Altona Beach
So verbrachte ich die folgenden Tage in der Bücherei oder am Strand. Auf meinen Flyer meldeten sich sogar zwei Leute – Der erste suchte einen vollwertigen Grafikdesigner und der zweite schickte mir zweideutige SMS wie „Are you open minded?“ und „Are you interested in Bodymassage?“. Die Weinplantagen in der Region werden ausschließlich von Kambodschanern abgeerntet, da sich diese als weitaus effektiver als Backpacker erwiesen haben. Da bietet man sich schon als billige Arbeitskraft für alles Mögliche an und bekommt nur Absagen oder wird ignoriert – sehr frustrierend.

Ich bin jung und brauche das Geld
Aber mir blieb wie gesagt keine Wahl, also suchte ich hartnäckig weiter. Vor einigen Tagen meldete sich dann tatsächlich jemand auf eine Onlinebewerbung und lud mich per Mail zu einem Jobinterview ein. Ich bekam jedoch keinerlei Informationen worum es ging, lediglich eine Adresse und eine Uhrzeit am nächsten Tag. Dort angekommen erreichte ich ein Gebäude ohne Logo oder Firmenschild, aus dem laute Musik dröhnte. Bin ich hier richtig? Im Wartezimmer saß ich schließlich mit einer Armee anderer, ahnungsloser Bewerber und musste die ersten Formulare ausfüllen. Im Nachbarzimmer wurde geschrien und getanzt, ab und zu kamen Leute mit kariertem Hemd und Energydrink durch den Flur gezappelt. „Oh shit, new people!“ Eine attraktive Frau betrat den Raum und forderte alle auf, ihr zum Gruppeninterview zu folgen. Die Firma suche Leute mit positiver Energie und guter Ausstrahlung. Es handelte sich um einen Job als Vertreter für Stromverträge, bei dem man größtenteils auf Provision bezahlt wird. Da sie von den hier 15 Anwesenden aber nur 3 oder 4 Leute einstellen könne und sie testen müsse, wie gut wir uns vor Anderen präsentieren können sollten wir der Reihe nach aufstehen, etwas von uns erzählen und warum wir der Richtige für den Job wären. Ein Franzose war offensichtlich weder nüchtern, noch betrunken und starrte permanent auf einen orangen Luftballon, den er unterwegs gefunden hatte.
Da stand ich dann also in meinem Strandoutfit (Ich vermutete es sei ein Promotion-Job) zwischen all den englischsprachigen Leuten, die stolz von ihren bisherigen Erfahrungen in der Branche berichteten. Jackpot. Egal, ich hatte ja nichts zu verlieren - Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit hatte ich doch bereits im Studium perfektioniert! Ich stand auf und erzählte der Runde, dass ich in Australien sei um neue Dinge auszuprobieren. Ich sagte, ich habe absolut keine Erfahrung und keine Ahnung wovon ich eigentlich rede und deshalb bräuchte ich natürlich den Job – und grinste die Lady frech an. Sie schaute mich zunächst etwas perplex an. „Can you start immediately?“-“Sure.“

Manenita e Florito
Beim „Casting“ lernte ich Mane (Magdalena) aus Chile kennen, mit der ich in den letzten Tagen viel Zeit verbracht habe. Wir sind fleißig dabei, einen Strand nach dem Anderen unsicher zu machen ;-) Den Job als Vertreter habe ich doch tatsächlich bekommen und war in den letzten Tagen dort beim „Training“. Wahrscheinlich ist der Job ziemlicher Murks und ich suche mir nach ein paar Tagen etwas Neues – doch freue ich mich darauf die Erfahrung zu machen als verhasster Vertreter um die Häuser zu ziehen und auf Englisch Verträge anzupreisen. Johannes und Luisa hatten angekündigt, mich in Melbourne zu besuchen und auch vorerst hier zu bleiben. Sie hatten auch viele Probleme mit dem Auto und bei der Jobsuche im Norden. Ihren Blog findet ihr übrigens hier. Natürlich kamen sie eher als angekündigt, parkten um die Ecke und schlichen sich im Dunkeln an mein Auto heran, als ich gerade ahnungslos auf dem Fahrersitz saß und mit meinem Handy beschäftigt war. Da ging der Puls in die Höhe! 

Endlich Gesellschaft - Die Zusammenkunft

Gestern Abend feierten wir unser Wiedersehen mit einem Festmahl – Salat, Spaghetti Bolognese und Schokocookies. Heute Abend treffe ich doch tatsächlich Sam und Sarah aus England wieder, mit denen ich mich in Laos angefreundet hatte. So langsam ist also das Tief überwunden und ich beginne, mich hier wirklich wohl zu fühlen. Sollte mich in den nächsten Tagen keines der niedlichen Opossen Opossaten Opossumen Opossas Opossums aufgefressen haben berichte ich euch mehr von Melbourne und meinem Vertreterjob.
Grütze!

Ui, Licht! Ich erstarre dann mal.


Zum Abschluss nochmal ein paar Impressionen aus Melbourne:









7. Februar 2013

Früchtefrust

Hallo!
Seit dem letzten Eintrag sind nun schon wieder zwei Wochen vergangen und mal wieder ist alles anders verlaufen als geplant. Aber von vorne.

Helen und ich standen an den folgenden Tagen jeden Morgen früh auf, um uns zu den anderen Wartenden vor dem Harbour Office zu gesellen. Es war eine merkwürdige Atmosphäre, dort nachts bei Eiseskälte (auch in Australien kann es kalt sein!) stundenlang mit Franzosen und Italienern auf der Einfahrt zu hocken und den ersten Sonnenstrahlen entgegen zu fiebern. Wir waren immer unter den ersten 10 von bis zu 50 Backpackern, die sich dort in die Liste eintrugen, doch warteten tagsüber vergeblich auf einen Anruf. Vielleicht hätten wir bei der Registrierung bezüglich der Fruitpicking- Erfahrung schummeln sollen. Jeder hat doch schließlich schonmal Erdbeeren gepflückt oder aus dem Nachbarsgarten einen Apfel stibitzt. Und beim Handyspiel Fruit Ninja bin ich auch ganz groß dabei! Jedenfalls hingen wir tagelang in Shepparton ab, und Frust machte sich breit. Die Stimmung war oft angespannt, denn es gab nicht wirklich etwas zu tun und immer mehr Backpacker strömten in das von uns mehr und mehr verhasste Örtchen. Morgens gab es sogar eine Schlange vor der Bücherei, da alle PC-Pools täglich mehrere Stunden ausgebucht waren. In diesem Jahr ist es wohl besonders extrem, da nach den Überschwemmungen in Queensland alle in Richtung Süden flüchten um einen Job zu bekommen.

Die Hexe von Shepparton. Wuhuu!
Eines Mittags bekamen wir eine SMS von der Farmerin, die uns bei sich auf dem Grundstück hat nächtigen lassen. Ihr Name ist Helen, um euch ein wenig zu verwirren. Sie fragte, ob wir ein- zwei Stündchen auf die Kinder aufpassen könnten. Wir fanden noch ein winziges freies Plätzchen in unserem maßlos überfüllten Terminkalender und trafen uns schließlich beim See, wo wir mit den Rackern eigentlich in den Park gehen wollten. Der Plan fiel allerdings sofort ins Wasser, als der Erste der Jungs mit seiner pinken Taucherbrille auf dem Kopf quiekend an uns vorbei in Richtung Eingang des Schwimmbads stürmte. Also hieß es Badesachen aus dem Auto holen und im Hallenbad Kinder bespaßen. Helen mutierte zum Kinder jagenden Krokodil und Ich hielt die Größeren mit Wettbewerben im Schwimmerbecken bei Laune. Im Endeffekt war es doch ganz spaßig und wir kamen sogar mal wieder in den Genuss einer anständigen Dusche. Geld lehnten wir ab, da uns ihr Mann so freundlich mit dem Reifen geholfen hatte. Sie bot uns allerdings an, am nächsten Tag ein wenig Gartenarbeit zu verrichten, was wir natürlich begeistert zusagten.

Der Job im Vorgarten war wirklich anstrengend. Es hatte seit Monaten nicht geregnet, weshalb fast alle Büsche dort vertrocknet waren. Diese hieß es irgendwie heraus zu bekommen und auf die Einfahrt zu schmeißen. Meine Spitzhacke war morsch der enormen Kraftentfaltung meiner monströsen Oberarme anscheinend nicht gewachsen und brach beim fünften Schlag in zwei Hälften. Also musste ich mit einem stumpfen Spaten weiterarbeiten, was in der Mittagshitze wirklich schlauchte. Wir wurden zum Mittagessen ins Haus gerufen und bekamen selbstgemachte Zucchinisuppe mit Toast spendiert. Schon komisch – da hält man wegen eines Geräusches im Motorraum kurz am Straßenrand und sitzt deshalb ein paar Tage später bei Australiern am Mittagstisch und plaudert aus dem Leben. Frisch gestärkt und mit geschliffener Hacke sollte es dann wieder an die Arbeit gehen, als mein Handy piepte. Neue Nachricht auf der Mailbox – ich hatte im Haus anscheinend keinen Empfang gehabt. „Flooww, this is Denise from the Job Office. You didnt answer my phone caaaall. You have 10 minutes to ring me baaack. It is now 12:51“ Plopp. Es war 13:02 Uhr, ich hatte kaum Empfang und die Nummer vom Office wurde irgendwo hin umgeleitet. Irgendwie schaffte ich es aber doch noch dort anzurufen und wir fuhren direkt zum Office.

Sie hatte tatsächlich einen Job für uns – Birnen pflücken. Es handele sich um „strip picking“, also den gesamten Baum abernten, was sehr gut sei. Pro Bin bekäme man knapp 32 Dollar vor Steuern. Der Farmer hieße Joe und wir sollen direkt hinfahren. Auf dem Weg zu Joe gab Burgundi mehr und mehr komische Klappergeräusche von sich, was mich sehr beunruhigte. Auf der Farm empfing uns ein extrem aggressiver Hund namens Bluey. Wäre er nicht angekettet, hätte es uns mit Sicherheit am Stück aufgefressen. Joe sagte, der Hund sei verrückt und eine Kreuzung aus einem Dingo und irgendetwas Anderem. Naja, welcher Hund wird nicht verrückt wenn er den ganzen Tag in der prallen Sonne angekettet ist – aber das ist in Australien anscheinend üblich, um einen zuverlässigen Wachhund zu haben.
Der Job sah zunächst vielversprechend aus. Die Farm war idyllisch und für lediglich 5 Dollar pro Nacht bekämen wir ein eigenes Zimmer. Duschen, Trinkwasser, Kochstelle und einen eigenen Kühlschrank gab es auch. Allerdings war das Zimmer das dreckigste Loch, was ich je betreten habe. Wir waren uns sicher – dieser Raum ist nie geputzt worden. An sich ja kein Problem, wenn man nicht gerade wie ich an einer Hausstauballergie leidet. Allergie gegen das Leben, wie Helen so schön sagte. Egal, das wird schon. Joe zeigte mir noch, wie ich den Trecker bediene – einen alten Ford. Helen wurde es nicht gezeigt, ihr wurde auch kaum Hallo gesagt und Joe redete prinzipiell immer nur mit mir. Bei den australischen Bauern haben offensichtlich die Männer die Hosen an. Macht aber nichts, wir sind schließlich zum Geld verdienen da. Am nächsten Morgen sollten wir um spätestens 6:30 Uhr auf dem Feld stehen. Wir fuhren noch zu Helen und ihrem Mann (dessen Namen wir offensichtlich vergessen haben), wo wir den Gartenjob erledigten. Für etwa vier Stunden Arbeit bekamen wir neben unzähligen Blasen, Kratzern und einem leichten Sonnenstich schließlich jeder 100 Dollar. Mein erstes in Australien verdientes Geld!

Unsere Bleibe
Panoramafenster
Die Nacht im überdimensionalen Staubsaugerbeutel war schrecklich und dementsprechend zerstört standen Helen und Ich am nächsten Morgen auf dem Feld. Die Arbeit war simpel, aber nicht anspruchslos. Der Traktor wurde an die Birnenbäume gefahren, auf einem Anhänger waren zwei sogenannte Bins. Ein Bin ist etwa 1,50x1,50x1m groß und fasst etwa 400kg Birnen. Mit großer Bauchtasche und stabiler Leiter bewaffnet muss der Baum dann von seinen Früchten befreit werden. Die Position der Leiter ist dabei sehr wichtig, da wirklich jede einzelne Frucht geerntet werden muss und es viel Kraft und Ausdauer kostet, voll beladen die Leiter zu steigen. Die Birnen werden mitsamt Stiel in einer ausholenden, vertikalen Drehbewegung vom Stamm gelöst. Die Leiter und Birnen waren zunächst eisig kalt. Ich genoss die ersten Sonnenstrahlen, die auf der obersten Leitersprosse stehend mein Gesicht kitzelten. Unfassbar, wie viele Birnen an so einem Baum hängen. Und der Bin wurde und wurde einfach nicht voll. Es wurde schließlich heiß und die Sonne knallte uns auf die Birne auf den Kopf. Mit Hut konnte man nicht arbeiten, da er sich immer wieder in den Ästen verhaken würde. Meine Schleimhäute hatten sich den ganzen Tag nicht von den Strapazen der Nacht erholt, weswegen ich ein Taschentuch nach dem Anderen opferte. Joe kam regelmäßig vorbei und betrachtete unsere Arbeit. Die Birnenbäume hier seien irgendwie krank, weshalb die Früchte ein wenig kleiner seinen. Toll, dass wir per Bin bezahlt werden. Gegen 10 Uhr hatten wir die ersten beiden Bins voll und ließen sie durch Leere ersetzen. Viele Nutellabrote und Taschentücher mit Isolierband als Pflaster an den schlimmsten Stellen der Hände später ging es schließlich weiter. Abends hatten wir nach etwa 10 Stunden zusammen zwei Tonnen Birnen gepflückt.


"the dishes maybe need a little water"
In der folgenden Nacht auf Freitag schlief ich im Auto, da meine Allergie ein bisher unbekanntes Hoch erreichte. Die Schleimhäute brannten und ich schmeckte Blut – gar nicht gut. Drei Bins später war klar, dass ich hier nicht bleiben kann. Freitag ist Zahltag, und wer jetzt nicht kündigt muss eine weitere Woche bleiben. Abgesehen von der Allergie war der Lohn deprimierend. Nach Steuern kamen wir auf etwa 6,50 Dollar pro Stunde. Zwar wird man mit der Zeit ein wenig schneller, aber in einem Land wo einfache Jobs um die 20 Dollar bringen grenzt das an Ausbeutung. Schade, motiviert und arbeitswillig nach langer Suche endlich einen Job zu bekommen und zwei Tage später frustriert vom Hof fahren zu müssen. Beim Rausfahren stürtzte sich der noch Hund wie besessen auf den Reifen meines linken Hinterrads, aber Burgundi hat den Angriff unbeschadet überstanden. Schade war es vor Allem auch für Helen, die den Job wohl eine weitere Woche gemacht hätte, aber ohne mich dort nicht bleiben konnte. Sie bekommt im März Besuch von einer Freundin in Sydney und nahm das Angebot ihrer ehemaligen Wooffingfamilie bei Newcastle an, dort noch ein paar Wochen Arbeiten zu können. Die folgende Nacht verbrachten wir daher auf der Wiese beim Bahnhof, wo früh morgens ihr Zug zum Flughafen ging.

Da stand ich also dann am Samstag morgen alleine in Shepparton am Grillplatz. In einem Ort, der von Backpackern überlaufen ist mitten im Nirgendwo. Fast alle, die hier irgendwann einen Job bekommen machen ähnliche Erfahrungen. Das Auto macht merkwürdige Geräusche und das finanzielle Polster wird kleiner und kleiner. Was nun?
Drei Mädels aus Oldenburg gesellten sich zu mir und spendierten mir ein paar Würstchen. Jessica, Alina und Beles kamen von der Westküste nach Melbourne und sind wie so viele Andere für einen Job nach Shepparton gefahren. Sie hatten ähnliche Erfahrungen beim Birnenpflücken gemacht und versuchten nun noch, an ihren Lohn zu kommen. Ich hatte von Joes Bruder einen Scheck zum Einlösen bekommen. Eine andere Gruppe gesellte sich dazu und breitete ein übertriebenes Buffet vor uns aus. Rinderfilet, Joghurt, Schinken, Schokolade, Wassermelone und und und. Wir kamen ins Gespräch und sie erzählten, dass sie das Essen aus Mülltonnen haben. Beim sogenannten Dumpster-Diving sucht man die großen Tonnen der Supermärkte nach brauchbaren Sachen ab. Was sich zunächst eklig anhört ist tatsächlich ökonomisch und ökologisch sinnvoll und die Sachen sind wenn überhaupt erst einen oder zwei Tage abgelaufen. Die Drei haben in der letzten Woche angeblich nur Geld für Eis und frische Milch ausgegeben. Die Melone schmeckte jedenfalls hervorragend, und einer der Drei stellte sich doch tatsächlich als KFZ-Meister heraus der in Shepparton auf Arbeitssuche ist. Er checkte Burgundi und malte mir in den Staub auf der Motorhaube, was nicht in Ordnung ist. Wie befürchtet hatten die Hydrostößel links nicht genug Schmierung. Offensichtlich ist mein Ölmessstab ein wenig fehlerhaft. Ich kaufte ihm eine Ladung Öl ab, was das Problem beheben sollte. Das Klackern war zwar immer noch da, jedoch empfahl er mir einfach weiter zu fahren. Er fand außerdem heraus, dass meine Wasserpumpe ein kleines Leck hat und meinte, ich sollte versuchen es mit einer Reperaturflüssigkeit zu reparieren. Ich bedankte mich angepasst mit ein paar kalten, aber preislich reduzierten da fast abgelaufenen Bieren und machte mir mit den Mädels einen schönen Abend.

Ich freute mich tierisch am nächsten Morgen, da das Klackern aus dem Motorraum verschwunden war. Ich muss doch nicht in Shepparton versauern! Nach einem kurzen Telefonat mit Johannes und Luisa, die noch immer in Canberra feststecken war klar, dass ich den Mädels nach Melbourne folge. Ich kaufte noch Öl und Kühlflüssigkeit und die Mädels gönnten sich einen Satz neuer Vorderreifen aus dem mir ja bereits bekannten Second-Hand Shop, dann konnte es losgehen. Gloria, der Van der Mädels fuhr voran und schnell waren wir wieder irgendwo im Busch. In drei Stunden sollten wir in Melbourne sein. Sollten wir - mein Auto war da offenbar anderer Meinung. Wir waren keine Stunde unterwegs, als die Temperaturanzeige plötzlich in den roten Bereich sprang. Ich hielt am Straßenrand und hörte das Kühlwasser bereits beim Aussteigen auf den heißen Asphalt plätschern. Meine Glückssträhne hält offenbar nach wie vor an. Ich öffnete ich die Motorhaube und suchte völlig ahnungslos mit meinem umfassenden Fachwissen nach der Ursache. Offenbar war der Kühler in Ordnung, aber das Druckventil vorm Motor hatte sich geöffnet. Burgundi quälte sich Etappenweise ins nächste Örtchen Seymour, wo wir eine Werkstatt fanden. Der freundliche Mechaniker fand die Ursache sofort - das Thermostat war defekt. Das kleine Teilchen lässt nur Kühlwasser in den Motor, wenn der bereits warm ist. So läuft der Motor nicht so lange unruhig, wenn es draußen mal kälter ist. Das war wohl auch der Grund, warum der Wagen so schnell so heiß geworden ist. Er baute es aus: „You dont need it in autralia, bro“ Alles klar. Er half mir noch, das Leck an der Wasserpumpe mit meinem Kit zu reparieren und ließ mich eine halbe Stunde später ohne Bezahlung wieder vom Hof fahren – in Deutschland unmöglich. Wäre es doch nur immer so einfach: Das Auto bleibt liegen, man baut ein kleines Teil aus und schmeißt es weg und der Wagen läuft sogar besser als vorher.

Mit den Mädels am Cherry Lake

Wir setzten unseren Miniroadtrip nach Melbourne fort, wo wir Abends noch ins berühmte Crown Casino gingen. Unzählige Spielautomaten, Roulette- und Blackjacktische, Bimmeln und Blinken aus jeder Richtung. Ich würde gerne mal die Stromrechnung des Schuppens sehen. Ein reicher Asiate verzockte Tausende Dollar, während ihm die gesamte Großfamilie dabei zusah. Eine Menschentraube hatte sich bereits um ihn versammelt, und der Sicherheitsdienst brachte weitere 100Dollar-Chips und neue Kartenspiele, da der Asiate die Karten nach jedem Spiel zerstörte. Im Keller stand Pokern auf dem Programm, wohl die einzige Beschäftigung im Casino die (auf Dauer) kein Glücksspiel ist und mein absolutes Lieblingsspiel. Hier werde ich mich demnächst mal mit 50 oder 100 Dollar an einem kleinen Tisch einkaufen.

Vorerst heißt es aber Geld verdienen – mal wieder und immernoch. Ich habe ein schönes Plätzchen im Vorort Altona gefunden. Ein recht einsamer See mit Grillplatz und übertriebener Raumschifftoilette, die mit einem redet ist mein Stellplatz für die Nacht. Zehn Minuten Fußweg entfernt liegt ein Strand, wo vor Allem Abends eine herrliche Atmosphäre herrscht. Ein langer Steg führt ins Meer, unzählige Angler versuchen ihr Glück und bei Ebbe kann man sehr weit auf das ruhige Meer hinaus laufen. Ruhig deshalb, weil Melbourne letztendlich an einer riesigen, fast geschlossenen Bucht liegt. Am Strand gibt es außerdem heiße Duschen, eine Library und ein Coles sind in der Nähe. Abends ist in der einen Straße, in der es Geschäfte gibt richtig viel los.

Ich bin zuversichtlich hier oder in der Nähe irgendwo einen Job zu bekommen. Sei es beim Bäcker oder Fleischer, im Tennisclub oder Sexshop. Irgendetwas werde ich schon finden. Um Melbourne werde ich jedenfalls definitiv ein wenig länger bleiben. Im nächsten Bericht werde ich euch mehr von Melbourne und dem Ort, an dem ich lebe zeigen und hoffentlich von meinem ersten anständigen Job berichten können. Take care!



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