+++ Ich habe mal wieder zwei Einträge
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kann von Schreibmaschinenbenutzern rechts im Archiv oder unter "Älterer Post" gefunden werden +++
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Mit freier Sicht gen Norden |
Wir verließen Esperance gen Norden.
Bevor wir in die unendlichen Weiten der Nullarborebene eintauchen,
wollten wir noch einen Abstecher nach Kalgoorlie machen, der
berühmtesten Minenstadt Australiens. In Norseman, dem letzten Kaff
vor der Leere traf ich doch tatsächlich Fred und Lena aus Carnarvon
wieder. Australien ist groß, aber an gewissen Knotenpunkten kommt
niemand vorbei. Norseman ist einer davon, auch wenn dessen einzige
Attraktion meiner Meinung nach die Handwaschanleitung auf der
öffentlichen Toilette der Tourist Information ist. Australien ist
und bleibt nun mal ein Nannystate.
Gegen Nachmittag machten wir uns wieder
auf den Weg, es waren schließlich 400km Umweg nur um Kalgoorlie
einen Besuch abzustatten. Es braucht jedoch ein wenig Information um
zu wissen, warum ich „Kal“ unbedingt sehen wollte. Die Stadt hat
nämlich in der Entwicklung Australiens eine entscheidende Rolle
gespielt und tut es noch immer. Normalerweise lacht man ja als
Europäer über Alles, was das junge Australien als „Geschichte“
bezeichnet, doch Kalgoorlie bildet da eine Ausnahme. 1892 hat ein
gewisser Arthur Bayley etwa 40km vom heutigen Kalgoorlie entfernt
Gold gefunden. Ungewöhnlich viel Gold. Als er seinem Minenaufseher
in Southern Cross nach wenigen Tagen 15,7 Kilo Gold auf die Theke
klatschte, begann innerhalb weniger Stunden der letzte große
Goldrausch der Menschheit. Quasi über Nacht entstand nahe des
Fundortes die Stadt Coolgardie. Heute noch 700 Einwohner fassend war
sie damals die drittgrößte Stadt Australiens.
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Coolgardie heute |
Unweit von Coolgardie stolperte Paddi
Hannan dann eher zufällig über eine der größten Goldadern der
Welt, der „Golden Mile“. Hier entstand schließlich die Stadt
Kalgoorlie, die immer und immer größer wurde. Die Bedingungen waren
rau, es fehlte vor Allem an Wasser. Man gab sich dann dem
Mammutprojekt hin, eine Pipeline von einer 560km entfernten und 400
Höhenmeter tiefer liegenden Staustufe bei Perth bis nach Kalgoorlie
zu bauen. Für damalige Verhältnisse war das ein absolutes
Wunderwerk. Die „Golden Pipeline“ ist auch heute noch Lebensader
der Region.
So, genug Geschichtsstunde. Wir kamen
also zuerst durch Coolgardie. Heute erinnert dort, abgesehen von ein
paar alten Gebäuden nichts mehr an die vergangenen Zeiten. Lediglich
die extrem breite Hauptstraße durch den Ort zeugt vom
geschichtlichen Hintergrund: Man hat damals so viel Platz lassen
müssen, damit Kamelkarawanen ungestört wenden können.
Bei unserem Nachtplatz zwischen Kal und
Cool wurden wir von einer Armada Mosquitos überfallen. So etwas habe
ich noch nicht erlebt! Wir waren wirklich überall zerstochen.
Entsprechend genervt machte sich Julius am nächsten Morgen schon
früher auf den Weg. Er rief uns irgendwann an, wir sollen bloß
bleiben wo wir sind, da die Stadt von Polizisten nur so wimmeln würde
und er an der Hauptstraße schon in eine Kontrolle gekommen sei. Dumm
bloß, dass wir zu dem Zeitpunkt bereits am Woolworths mitten im
Stadtzentrum waren. Dort wollten wir uns wieder treffen, und als
Julius 15 Minuten später ankam berichtete er bereits von einer
weiteren Kontrolle, wobei man auf seine Reifen geschaut hätte. In
dem Moment bereute ich wirklich, nach Kalgoorlie gekommen zu sein.
Zeit und Geld für den Umweg verloren und von Mosquitos vergewaltigt,
stand jetzt auch noch unser rollendes Zuhause auf dem Spiel. Denn mit
einem unregistrierten Auto, dessen Windschutzscheibe allenfalls als
Kunstwerk bezeichnet werden kann möchte man nicht wirklich in eine
Kontrolle kommen. Wir verabschiedeten uns von Julius, der von hier
aus weiter gen Westen fahren möchte. „Geil wars, außer wenns
kacke war.“ Wir werden uns mit Sicherheit nochmal wiedersehen.
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Auch die Hannan Street in Kalgoorlie ist extrem breit |
Über Nebengassen und durch Wohngebiete
schlichen wir uns anschließend aus der Stadt. Unser Hauptziel, der
Super Pit, lag glücklicherweise auf dem Weg hinaus. Die
Super-Pit-Mine ist Australiens größtes Bergwerk, welches im Tagebau
betrieben wird. Es ist außerdem das größte künstlich geschaffene
Erdloch der Welt. Mit 3500m Länge und 360m Tiefe entspricht das Loch
interessanterweise in Umfang und Tiefe einem umgedrehten Uluru.
Der Super-Pit entschädigte ein wenig
für die Strapatzen des Trips nach Kalgoorlie. Es ist absolut
überwältigend, in die Tiefe zu blicken und den gigantischen
Maschinen bei der Arbeit zuzusehen. Jedes Rad an diesen Minentrucks
ist größer und schwerer als mein Van. 2300 Pferdestärken, 225
Tonnen Ladekapazität, ein 3790 Liter fassender Dieseltank. Noch
Fragen? Vom Aussichtspunkt aus sehen die Trucks jedoch aus wie
Spielzeugautos. Nur wenn der Schall mal wieder 3 Sekunden nach dem
ankommt, was man sieht, wird einem die Entfernung und damit die Größe
bewusst. Auch die 60 Tonnen fassende Baggerschaufel ist der Wahnsinn.
Ja, liebe weibliche Leser, Baggerschaufeln können schon was Tolles
sein! Ich frage mich, was die Goldschürfer von 1893 dazu gesagt
hätten.
Noch am selben Tag fuhren wir wieder
nach Norseman. Die 200km sind im Vergleich zu dem, was wir noch vor
uns hatten ein Katzensprung. Die Nullarborebene stand auf dem Plan,
eine 1200km lange, trockene Karstwüste. Sie hat ihren Namen vom
lateinischen „Nulla arbor“ („Kein Baum“). Das ist zwar
schamlos gelogen, aber sonderlich viel wächst in der Wüste wirklich
nicht. Sämtliche kleineren, krüppligen Bäume die man sah waren
außerdem absolut windschief gen Norden gebeugt. Warum? Ich werdet es
nicht glauben, doch die windschiefen Bäume sind auf Wind zurück
zuführen. Aber mal ernsthaft, es war wirklich extrem windig. So
windig, dass einige Wohnmobile erst gar nicht den Rastplatz verlassen
haben, da die Spritkosten derartig in die Höhe stiegen. Wenn ein
Roadtrain uns passierte wurde Ludwig im Anschluss immer kräftig an
die Seite gedrückt. Ich musste permanent so stark gegenlenken, dass
es beim Karten spielen gestört hat! Stunde um Stunde verging und der
Eyre Highway fand einfach kein Ende. Kein Wunder, dass AC/DC hier
ihren Song „Highway to hell“ geschrieben hat.
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Auf dem Weg kamen wir in einen kleinen Sandsturm |
Am Straßenrand sahen wir plötzlich
einen pinken Rucksack liegen und wurden neugierig. Was macht ein
Rucksack mitten im Nirgendwo? Wir sammelten ihn auf und nahmen ihn
mit zum nahen Rastplatz, wo wir über Nacht bleiben wollten. Im
Rucksack waren schließlich neben einem Kartenetui hauptsächlich
Medikamente – die größte Ansammlung von Medikamenten die ich je
gesehen habe. Die Frau, die sie (offenbar) verloren hat muss so
ziemlich alle Krankheiten haben die es gibt. Offensichtlich war sie
auch auf ein paar der Pillen angewiesen. Wir entschieden uns, zurück
zum Fundort zu fahren. Bei dem Inhalt kann es schließlich sein, dass
die Besitzerin umdrehen und danach suchen wird. Und wer weiß was dort
sonst noch so herumliegt? Schon von weitem sahen wir ein Auto am
Seitenstreifen und eine ältere Dame durchstreifte verzweifelt das
Gebüsch. Als wir ihr den Rucksack unter die Nase hielten ist sie vor
Freude fast umgefallen. Ihre Augen waren durch die Brille gigantisch
groß. Die Arme hatte offenbar nicht nur alle Krankheiten der Welt,
sondern war auch noch fast blind. Sie umarmte uns und zog uns auf den
Seitenstreifen, da sie für uns beten wollte. Gläubig auch noch
dachte ich, wird ja immer schlimmer! Ihr Mann fragte schließlich
nach unseren Namen, schloss die Augen und betete ausgiebig für uns
und für unsere Reise, wobei die Frau wie in Trance nickte. Auch wenn
ich persönlich nicht viel von Gebeten halte war es doch eine
wahnsinnig tolle und menschliche Erfahrung. Mit solchen Dingen
rechnet man auch einfach nicht.
Wir passierten schließlich irgendwann
den „90 mile straight“ und den Madurapass, an dem man einen
tollen Blick über die unendlichen Weiten der Nullarborwüste hat.
Wir sahen mal wieder ein verlassenes Auto am Straßenrand und
stoppten spontan. Es war ein alter Toyota, der doch tatsächlich die
gleiche Reifengröße wie unser Ludwig hatte! Einer der Reifen war
zudem noch wie neu. Ein gratis Ersatzrad, super! Die Demontage fiel
jedoch schwerer als erwartet, da irgendwer schon die Stoßdämpfer
stibitzt hatte. Irgendwann schafften wir es jedoch und warfen einen
alten Klappstuhl durch die Seitenscheibe verstauten das Rad stolz im
Seitenraum von Ludwig.
Tag Drei auf dem Eyre Highway neigte
sich dem Ende zu und wir hatten es fast geschafft. Ein letztes
Hindernis stand jedoch noch aus, bevor wir die Durchquerung der
Nullarbor als erfolgreich verbuchen konnten: Die Grenzkontrolle in
Ceduna. Hier werden Autos mal wieder nach bööösen
Terrorfruchtfliegen durchsucht und ich befürchtete, dass auch das
Kennzeichen erfasst wird. Nach langer Überlegung entschieden wir
uns, den Checkpoint in der Nacht zu passieren. Leider war der Posten
wider Erwarten auch in der Nacht besetzt, jedoch von nur einem
Beamten. Vor uns war ein Kombi voller Asiaten, der den Beamten
zunächst beschäftigte. Anschließend kam er zu uns und wollte
unsere Kühlbox sehen. Natürlich war die hinter der Seitentür, die
sich nur öffnen lässt wenn man von vorne über die Sitze klettert
und hinter dem Teppich der Seitenverkleidung eine Metallstange nach
hinten schiebt. Der Beamte schaute ein wenig merkwürdig. Er sagte
jedoch „thats fine“ und joggte zu seinem Computer im
Grenzhäuschen – nicht ohne sich vorher die Kennzeichen notiert zu
haben. Die Schranke war permanent offen, und wir waren bereits in
einer öligen Wolke verschwunden, bevor der nette Mann seinen
ergonomisch geformten Bürostuhl erreicht hat. So schnell es ging
heizte ich aus dem unsympathischen Ort und wurde erst langsamer, als
im Rückspiegel kein Licht mehr am Horizont zu erkennen war.
Willkommen in South Australia!
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Unser momentaner Stellplatz |
So, das ganze passierte vorgestern –
ihr seid also zur Abwechslung mal wieder auf dem neuesten Stand. Wir
entschieden uns, ein wenig südlich auf die Eyre Peninsula abzubiegen
und sind nach einem kurzen Stopp im hübschen Fischerort Streaky Bay
in der Venusbucht angekommen. Hier hängen wir nun seit zwei Tagen
ab. Die Bucht ist traumhaft und der Caravanpark ist weltklasse, auch
wenn wir den Altersdurchschnitt um etwa fünf Jahrhunderte senken.
Hier treffen wir letzte Vorbereitungen: Waschen, Blog schreiben,
Steak essen, entspannen. Morgen geht es wieder los: Wir wollen durchs
Landesinnere zügig bis nach Cairns fahren. Das ist eine Route, die
eigentlich kaum ein Reisender nimmt, da nicht wirklich Irgendetwas
auf dem Weg liegt. Aber umso interessanter könnte es werden...
Bis zum nächsten Mal,
euer Flo
P.S.: Ich sitze gerade mit Vincent auf
dem Pier in der Venus Bay. Auf dem Pier lauft eine bewegliche Lore
auf alten Schienen und unter den alten Holzdielen wohnt ein
Seelöwenpärchen. Am Horizont geht bereits die Sonne unter, ich bin
der deutschen Zeit wieder 9,5 Stunden voraus.