Die unbeschreiblichen Blautöne am
Horizont sind schwer zu definieren. Wo hört das Meer auf, wo fängt
der Himmel an? Vielleicht wäre es einfacher zu erkennen, wenn ich
nicht gerade auf dem Beifahrersitz von Julius' kleinem Allradwagen sitzen herumfliegen würde. Es ist mit Abstand die härteste
Offroadpiste, die wir je gefahren sind. Damit hatten wir dann doch
nicht gerechnet - Julius ist nervös. Sein Blick ist angestrengt und
er macht Atemgeräusche, die mir sonst nur aus sehenswerten
RTL2-Dokumentationen wie „Junge Mütter“ bekannt sind.
Hoffentlich kommen wir hier wieder raus. Und überhaupt, wo sind wir
hier eigentlich? Der traumhafte Strand, den uns Paul versprochen
hatte lässt noch auf sich warten. Der nette Australier hatte uns
spontan am Chelly Beach angequatscht. „Wanna see paradise?“ Sein
großer Toyota hätte beim letzten mal auf der Seite gelegen, mit
zwei Autos sei es doch sicherer und auch lustiger. Vincent fährt mit
dem Angelverrückten Familienvater voraus und wir fahren uns erneut
im feinen Sand fest. Ich steige aus, um beim zweiten Versuch nochmals
einen kleinen Gewichtsvorteil zu haben. Und siehe da, wir schaffen es
gerade so über die Sanddüne. Keine 5 Minuten später kommt wieder
der Spaten zum Einsatz und wir begradigen den Streckenabschnitt, wo
Pauls Toyota aufgesetzt ist. Das steile Stück bergab zur Küste ist
schließlich kein Problem – hier wird eher die Rückfahrt
interessant. Die Piste endet schließlich an einer Klippe, wo wir die
Autos parken.
Ein steiler Pfad führt an die traumhafteste Bucht, die
ich je gesehen habe. Es ist leicht bewölkt im Paradies, was jedoch
recht angenehm ist. Man verbrennt sich ansonsten unglaublich schnell,
da es über diesem Teil des Kontinents in etwa soviel Ozon gibt wie
Privatsphäre in der Londoner Innenstadt. Wir machen uns auf den Weg
hinab und genießen eine Abkühlung im eisig kalten Ozean. Es ist mal
wieder absolutem Zufall zu verdanken, dass wir überhaupt hier sind.
Ob das ganze eine gute Idee war oder nicht ist noch abzuwarten. Aber
manchmal hält Australien einfach kleine Abenteuer für einen bereit,
und wenn man sie erkennt und den Mut hat darauf einzugehen erlebt man
die genau die Dinge, die einem noch lange Zeit in Erinnerung bleiben.
Pauls Paradies |
Julius und Paul versuchen sich im
Surfen, und Vincent kämpft mit der Sonnencreme in seinen Augen. Ich
lasse die umwerfende Landschaft auf mich wirken. Der Strand ist so
verlassen, dass wir vier wahrscheinlich ein großes Feuerwerk machen
könnten und trotzdem die einzigen Personen wären, die es sehen
könnten. Okay, das daraus resultierende Buschfeuer müssten wir mit
vielen Anderen teilen, aber immerhin! Die linke Seite der Bucht ist
sehr felsig, und ich finde ein paar nette Kletterfelsen. Wir helfen
Paul, sein Angelequipment zu den Felsen zu tragen und baden kleine
Shrimps in türkisblauem Wasser. Ich war nie ein großer Fan vom
Angelsport, was ist auch so toll daran herumzusitzen und zu warten?
Meine Meinung sollte sich heute ändern. Ein Fisch nach dem Anderen
ist am Haken, und wir haben eine Mordsgaudi. Was gefangen wird, wird
gegessen. Paul meint, alles war Silber ist könnte man essen, ganz
sicher sei er sich aber nicht. Mit der Einstellung hat er es aber
immerhin ins Rentenalter geschafft, also werden wir sie übernehmen.
Leider ist es bei Australiern üblich die Fische einfach sterben zu
lassen, anstatt sie zu töten. Aber wir sind ja keine Australier, wir
sind good german fellas. Am Ende fangen Vincent und ich noch je eine
große Makrele (?) und wir haben mehr als genug Fisch für ein großes
BBQ.
Wir 3 beim Angeln |
Check my dinner yooo |
Die Rückfahrt war ähnlich
abenteuerlich wie die Hinfahrt. Es war bereits dunkel, und an zwei
Passagen kam Rocky wirklich an seine Grenzen. Ich war gerade am
Filmen, als Julius zu schnell über einen Felsen fuhr und sein Wagen
nach einem dezenten „Klonk“ plötzlich fünf mal so laut war wie
vorher. An dieser Stelle schreibe ich einfach mal unseren Dialog aus
dem Video nieder:
Ich: „Das hört sich gar nicht gut
an.“
Julius: „Fuck.“
Ich: „Krümmer.“
Julius: „Fuck Fuck Fuck.“
Ich: „Ey der rollt noch!!!“
Julius: „Oah, du hast meine
Handbremse kaputt gemacht!“
Ein Blick unters Auto verriet mir aber,
dass der Auspuff lediglich aus einer Verbindungsstelle gerutscht ist
und ich konnte Julius ein wenig beruhigen. Die Lebensqualität in der
Fahrgastzelle stieg somit wieder auf ein erträgliches Maß und wir
kamen ohne weitere Zwischenfälle zurück zum Chelly Beach, wo wir
gemeinsam den Fisch zubereiteten. So langsam kommt sogar Vincent auf
den Geschmack, mit der richtigen Panade um den Fisch muss er sogar
kaum noch würgen beim Essen. Ich würde darauf wetten, dass er noch
innerhalb der nächsten 10 Jahre die Angel wegwirft und einen
Jagdschein macht. „Stell dir mal vor da schwimmen überall geile
Steaks im Wasser rum!!“
Am nächsten Tag erreichten wir die
Bremer Bay, wo ich ein wenig auf der Bullbar herumkutschiert wurde.
Ein Mädel am Strand gab mir schließlich mal wieder einen dieser
wertvollen Insidertipps, denen man einfach nachgehen muss: Der
Besitzer des Museums im Ort hätte eine große Sanddüne auf seinem
Grundstück, wo man nach Absprache vielleicht Sandboarden gehen
könnte. Wir machten uns auf den Weg und sahen schon bald Schilder am
Straßenrand, dass das Museum geschlossen sei. Viel zu verlieren
hatten wir nicht, also fuhren wir dreist weiter bis wir schließlich
vor dem Privathaus des besagten Museumswärters standen. Es war ein
prachtvolles, altes Steingebäude auf mit großer Gartenanlage. Eine
alte Frau kam aus dem Haus und schaute dermaßen grimmig, dass ich
schon leicht geduckt den Rückwärtsgang suchte. Packt die Alte jetzt
die Schrotflinte aus? Der Mann kam schließlich hinzu und die Beiden
stellten sich dann doch als sehr nett heraus. Nach ein wenig
Propaganda für ihr Museum verrieten sie uns dann den Weg zur
Sanddüne, die wir wenig später mit Bodyboard und Küchenkiste
bewaffnet erklommen. Um es abzukürzen: Das ganze hat nicht wirklich
funktioniert, aber wir hatten unseren Spaß. Auf dem Rückweg sahen
wir dann sogar noch eine kleine schwarze Schlange durch den Sand
kriechen.
Sandig wie nie zuvor begaben wir uns
auf eine Offroadpiste in zum Point Ann im Fitzgerald Nationalpark.
Ein nettes Fleckchen, wo wir direkt zwei Nächte blieben. Julius, der
sich mittlerweile eine 10 Fuß – Hochseeangel gekauft hatte konnte
es natürlich kaum erwarten sie auszuprobieren. Fische gab es jedoch
keine, nur durch Zufall sahen wir vor uns in der Felsspalte eine
dicke Krabbe. Wir stiegen also auf Krabbenangeln um, was wirklich
Spaß gemacht hat. Die Viecher sind so hohl, die stecken sich auch
genüsslich leere Metallhaken in den Mund. Mjamm, Haken! Zwei Stunden
später hatten wir den Eimer voller Krabben inklusive Raremob in
Gelborange statt Lilagrün. Die glückliche auserwählte Krabbe, die
testweise als Erste in den Whirlpool durfte, wurde anschließend professionell geöffnet geöffnet. Sie war lecker, aber hatte so
wenig Fleisch an sich dass wir den anderen Krabben wieder die
Freiheit schenkten.
Ab nach Esperance |
Wir erreichten Esperance schließlich
am Invasion Day Australia Day, sodass alle Geschäfte geschlossen
waren. Die lediglich 15.000 Einwohner fassende Stadt feierte den
wichtigsten Nationalfeiertag des Landes am Strand, wo unter Anderem
ein paar sehenswerte Oldtimer ausgestellt wurden. Fotos habe ich
leider nicht, da meine Digitalkamera den Geist aufgegeben hat. Wir
machten uns direkt auf den Weg zur Lucky Bay im Cape le Grand
Nationalpark, die mir Debby und Lynn von der Cattlestation empfohlen
hatten. Der Ort war wunderschön, doch wegen des Feiertags leider
total überfüllt. Glücklicherweise machten sich fast alle am
nächsten Tag wieder vom Acker. Da hat man das dickste Auto,
sämtliches Campingequipment inklusive Boot und Jetski, aber kann all
das vielleicht mal an einem Tag pro Woche überhaupt nutzen, da man
die restliche Zeit am Arbeiten ist. Also wenn ich mich entscheiden mü
– oh, das hab ich ja schon.
Julius und Vince beim Angeln |
Wir blieben insgesamt vier Tage an
diesem herrlichen Ort. Angeln, Entspannen, ein wenig die Landschaft
erkunden. Meine Kamera konnte ich nach einer Operation wieder zum
Leben erwecken. Wie kann man nur so kleine Schrauben benutzen! Beim
angeln nutzten wir eine meiner Plastikkisten als Fischkiste. Als sie
beim Auffüllen vom Wasser erfasst wurde musste ich spontan ins kalte
Nass um sie zu retten. Ein alter Australier zeigte uns wie man Fisch
filetiert und wir bekamen ein Bier von ein paar netten Iren
spendiert. Können nicht mehr Iren nach Australien kommen und dafür
weniger Franzosen? Lustigerweise überlegt die Regierung im Moment
den Franzosen das Work and Holiday Visum zu entziehen, da sich unsere
Croissant liebenden Nachbarn hier derartig daneben benehmen. Nach
zwei Nächten machte ich mich mit Vincent mal auf den Weg in die
Stadt zum Einkaufen und Skypen. Erschreckend, wie wenig man am
anderen Ende der Welt teilweise von Zuhause mitbekommt. „Aus den
Augen, aus dem Sinn“ trifft wohl leider auch zu, was den Kontakt in
die Heimat angeht. Naja, hungrig waren wir dann auch noch. Mc
Donalds, du Perle der Zivilisation! Es war schließlich schon zu spät
für einen Reifenhändler, als ich das Objekt an meinem rechten
Vorderrad näher unter die Lupe nahm. An einer Seite war bereits das
Gummi unter der Faser unter dem Gummi zu sehen. Ups. Vorsichtshalber
fuhren wir im Schneckentempo zurück in die Lucky Bay.
Kaum hatten wir geparkt, kam Julius mit
einem mörderisch Breiten Grinsen um die Ecke. Das Grinsen sollte
noch ein paar Tage anhalten – er hatte einen 61cm langen Lachs aus
dem Wasser gezogen. Vincent konnte es kaum glauben. Eine Familie aus
der Schweiz kam um die Ecke, und die Kinder hatten tatsächlich Angst
vor dem Fisch, was ich urkomisch fand. Ich konnte schließlich sogar
vom Lachs essen, ohne danach selbst wie Einer auszusehen. Offenbar
gibt es da bei meiner Allergie Ausnahmen.
Den nächsten Tag verbrachten Vincent
und ich mit zwei Australierinnen, mit denen wir am Abend zuvor
erfolgreich Goonvorräte vernichtet hatten. Wir fuhren zu einem (mal
wieder) traumhaften einsamen Strand, wo uns heftige Wellen vom
Bodyboard klatschten. Hier im Südwesten gibt es eindeutig die bisher
besten Strände, die ich je gesehen habe.
Thistle Cove im Cape le Grand Nationalpark |
Am letzten Tag erklommen wir zusammen
den Frenchman Peak, einen Berg mit großem natürlichem Tunnel unter
der Spitze mitten im Nationalpark. Es kommt auf den Fotos leider nie
so rüber, aber die Aussicht war der Wahnsinn.
Der Cape le Grand
Nationalpark ist wirklich einer der Schönsten Australiens, auch wenn
er nicht so bekannt ist. Dasselbe gilt für die gesamte Region – es
ist mir absolut unverständlich, dass dort nur so wo wenige Leute
leben. Darüber unterhielt ich mich auch mit dem Reifenhändler, bei
dem wir auf dem Weg in Richting Nullarborebene unweigerlich stoppen
mussten. „I know, i know! Dont tell anybody!“ sagte er. „No no,
i wont!“
Ups.
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