Hallo und ja,
wir leben noch! Vorgestern sind wir
tatsächlich heile in Broome angekommen. In den vergangenen zwei
Tagen haben wir uns fleißig in der Sonne verbrutzelt und nun nutze
ich unseren „intellectual library day“, um euch von unseren
letzten Wochen zu berichten, während meine Haut versucht kein Krebs
zu bekommen.
Wer hat den Längeren? |
In Katherine haben wir uns zunächst
fleißig mit Lebensmitteln und Wasser eingedeckt. Es ist gerade
Orangenseason, weshalb die Früchte nicht nur extrem saftig und
lecker, sondern auch recht günstig sind. Wir verließen das nicht
wirklich symphatische Örtchen gen Westen und befanden uns nur wenig
später mitten im Nirgendwo. Der Victoria Highway ist neben der
Straße durch die Nullarborebene im Süden des Kontinents die einzige
befestigte Straße an die Westküste. Das Outbackfeeling war wieder
da: Man fährt und fährt und fährt und weiß genau, dass zu beiden
Seiten meilenweit einfach nur gar nichts ist. Gen Abend sahen wir
einen kurzen Hike ausgeschildert und machten spontan das
landschaftlich beeindruckende Aborigineterritorium unsicher. Auf dem
Weg zum Rastplatz passierten wir einen Flusslauf, in dessen Bäumen
tausende Kakaduvögel lärmten.
Wanna have an orange? Or Two? |
Am nächsten Tag stand wieder Auto
fahren auf dem Programm. Es ist noch ein weiter Weg bis Broome! Wir
fahren also den ganzen Tag und während mir Magdalena übersetzt,
wovon in den Liedern meiner Reggaetonmusik so die Rede ist kommen wir
dem gigantischen Staat Westaustralien immer näher. Ab und zu tauchen
ein paar eindrucksvolle Exemplare von Affenbrotbäumen (boab trees)
am Straßenrand auf, die hier heimisch sind. Ihr werdet erstaunt
sein, aber es hing kein Brot an den Ästen. Ein knappes Stündchen
vor der Grenze nächtigten wir auf einem gut besuchten Rastplatz, wo
wir uns mit einem australischen Rentnerpärchen anfreundeten. Toni
und Hank plapperten zwar ununterbrochen aber waren echt knuffig. Auf
dem Campingtisch neben unserem Auto stand ein Glas Honig. Leute, die
gen Osten reisen sammeln hier die Lebensmittel auf, die der
Gegenverkehr nicht mitnehmen darf. Uuups, da war ja was! Aus Angst
vor den bösen fiesen gemeinen Terrorfruchtfliegen darf keinerlei
Obst oder Gemüse über die Grenze mitgenommen werden. Gut, dass wir
daran gedacht haben und uns am Vortag nicht noch unter Anderem 6 Kilo
Orangen gekauft hatten! Orangensaft bis zum Umfallen... Es war wohl
der gesündeste Tag meiner Reise bisher. Hank kam irgendwann mit
einem fetten Fernseher aus seinem Wohnmobil und wir schauten zusammen
das A-Team.
Ikke, Toni, Mane, Hääänk |
An der Grenze wurden wir angehalten und
Ludwig musste blankziehen. Gut, dass der Zollbeamte den Apfel und die
dezent gealterte Nussmischung übersehen hat, die wir in den nächsten
Tagen noch finden sollten. Ein paar kurze Blicke später gibt er
grünes Licht und weist uns noch darauf hin, dass die Uhr 1,5 Stunden
zurück gestellt werden muss. Der bisher längste Tag meines Lebens!
Ich bin euch in Deutschland jetzt nur noch 6 Stunden voraus. Im
goldenen Westen besuchten wir zunächst den Mirimi Nationalpark
östlich des gemütlichen Örtchens Kununurra, der mit
Bienenstockförmigen Felsformationen punkten konnte und kletterten
auf eine nahe Klippe, um über das Tal schauen zu können.
Dort trafen wir auch zufällig Antoine
und Apolline wieder. Dem französischen Pärchen hatte ich im Kakadu
Nationalpark bei der Reparatur ihres Leihwagens geholfen. Sie hatten
sich beim Rückwärtsfahren einen Kotflügel abgerissen – die
Kabelbinder scheinen gut zu halten. Wir grillten Abends gemeinsam
Würstchen und Pute über dem Lagerfeuer und beschlossen, am nächsten
Tag zusammen zum Lake Argyle zu fahren. An dem wunderschönen und
riesengroßen See gab es nicht viel zu tun, aber alleine die
landschaftlich sensationelle Straße dorthin rechtfertigt schon einen
Besuch. Die gesamte Kimberleyregion im Nordwesten Australiens gefällt
mir landschaftlich bisher von Allem am besten. Wo man auch hinschaut
ist es stets idyllisch wie aus dem Reisekatalog.
Sicht auf den Lake Argyle |
Der Staudamm sorgt für neuen Lebensraum |
Unser nächstes Ziel hieß Wyndham, ein
kleines Örtchen nördlich unserer Route. Die Straße dorthin zierte
im vergangenen Jahr die Titelseite des Lonely Planets. Man hat stets
vier Farben vor sich: Von unten nach oben Rot-Gelb-Grün-Blau. Rot
ist der feine Staub, der in jede nur denkbare Ritze kriecht und den
gerodeten Streifen am Straßenrand beschreibt. Gelb ist das dörre
Buschgras, welches anscheinend sehnsüchtig auf die nächste
Regenzeit wartet. Grün sind die etwas größeren Büsche und Bäume,
denen das offenbar herzlich egal ist. Knallblau ist schließlich (wer
hätte das gedacht) der Himmel. Was auf den Fotos nicht zu erkennen
ist: Der Himmel im Outback ist blauer als blau!
Die Straße nach Wyndham |
Iiiih, Spinne! |
Wyndham Wetlands |
The Prison Tree |
Camping am Prison Tree |
In Wyndham bekamen wir Zuwachs: Unser
neues Maskottchen heißt Drilo und ist ein Knuddelkrokodil. Männlich
oder? Wir besuchten ein tolles Billabong und quälten Ludwig noch auf
den „Five river Lookout“ und setzten unsere Reise gen Westen
fort.
Fliegenverarschhut |
Auf dem Weg nach Broome gab es
lediglich zwei kleinere Ortschaften, die bis auf Tankstellen (nötig!)
und teuren Supermärkten aber nicht viel zu bieten hatten. Bei Halls
Creek besuchten wir die „Wall of china“, die den nicht zu
unterschätzenden Vorteil hat, dass sie nicht in China ist.
Verglichen mit ihrem Namensgeber ist die durch Erosion freigelegte
Quartzader jedoch nicht wirklich sensationell. Ich konnte mich nicht
entscheiden rechts oder links der Mauer zu gehen und nahm spontan die
Mitte. Kletteraffen wie mir möchte ich allerdings davon abraten, da
einige der massiven Felsen bedrohlich wankten.
Im Nordwesten Australiens gibt es
außerdem ein weiteres Problem: Duschen. Genauer gesagt wären sie
kein Problem, wenn es sie denn geben würde. Seit Katherine konnten
wir uns lediglich mit Feuchttüchern reinigen. Der gemeine arme
Backpacker ist außerdem zu geizig für einen bezahlten Campingplatz.
Ich grub also den alten Wassersack wieder aus und füllte ihn in
mühevoller Kleinarbeit an einer öffentlichen Toilette. An einer
abgelegenen Straße fanden wir einen Baum, der wie dafür geschaffen
war – Outdoorduschen in Australien ist einfach toll und
uneingeschränkt empfehlenswert!
Hölzerne Morgensterne überall |
Das zweite Kaff Örtchen auf der
Strecke ist Halls Creek. Hier leben fast nur Aborigines, die sich
zahlreich in den raren schattigen Plätzen treffen, um köstlichen
Goon zu konsumieren. Der Boxwein hat seinen Spitznamen vom
einheimischen Wort für Kopfkissen, da der silberne Beutel für
gewöhnlich aufgeblasen und als Kissen verwendet wird, um den Rausch
auszuschlafen. Es gibt nur sehr wenige Touristen, die auf der
Durchreise nach Halls Creek kommen und somit war es interessant, ein
wenig die Kultur der Einheimischen zu erleben. Im Gegensatz aber zu
Alice Springs, wo es generell ein trauriger Eindruck war können die
Völker hier anscheinend einen Teil ihrer Kultur bewahren und
größtenteils ein normales Leben führen. Nach kurzem Einkauf
(Orangen, yummi!) fuhren wir zur Geikie Gorge nördlich von Halls
Creek. Wir wanderten durch die eindrucksvolle Schlucht und kämpften
permanent gegen die deutlich schmerzhaftere und nervigere
australische Version von Kletten. Andauernd hatten wir eine
Stachelige Kugel im Fuß stecken! Gut, dass ich eine Krankenschwester
dabei habe... ;-) Auf dem Rückweg am Fluss entlang waren wir uns
nicht sicher ob wir wirklich auf dem Pfad oder doch auf der
Joggingstrecke örtlicher Krokodile waren und kletterten auf halbem
Wege zurück auf den bekannten Pfad.
Das Ende der Wanderung in der Geikie Gorge |
Bevor wir nach Broome fahren wollten
wir noch einen Abstecher nach Derby machen. Derby, das klingt doch
nach wildem Outbackdorf am Meer mit Rodeos und einer idyllischen
Pferderanch. In Wahrheit ist Derby jedoch derbe hässlich – das
letzte Kaff vorm Herrn, wie meine Oma sagen würde, die ich bei
dieser Gelegenheit auch mal herzlich grüßen möchte. Allerdings war
gerade Vollmond, welcher der Küste Derbys Tidenhübe von über 11m
beschwerte. Den Weltrekord hält Kanada mit knapp 15m, aber 11m sind
auch schon gewaltig. Wir verweilten eine gute Stunde auf dem Pier,
dessen stählerne Pfosten in schwindelerregender Höhe standen und
schauten der Flut bei der Arbeit zu. Minütlich versank ein
Trümmerstück nach dem Anderen in der braunen Brühe und in 4
Stunden sollte das Meer in greifbarer Nähe sein, wie uns ein Angler
verriet. So langweilig war uns dann aber doch nicht, sodass wir uns
am Nachmittag wieder auf den Weg nach Broome machten.
In 4 Stunden 10m unter Wasser: Die Überreste des alten Piers |
Rnd creek |
Am nächsten Tag war es schließlich
soweit – wir erreichten Broome! Hier gibt es den Cable Beach, einen
der schönsten Strände Australiens. 22Km weit nur weißer Sand und
ein Horizont in verschiedenen Blautönen. Zur willkommenen
Abwechslung schwimmt auch mal nichts im Wasser, was einen vergiftet,
frisst oder auf andere Art und Weise zum Ableben animiert. Wir legten
uns spontan einen Sonnenschirm und große Handtücher zu und genießen
den Ort in vollen Roadtrains Zügen.
Schwierig in Broome ist allerdings die
Suche nach einem Schlafplatz. In der ersten Nacht standen wir in
einem Neubaugebiet, die Zweite standen wir weit außerhalb mitten in
einer Pilgerstätte für Mosquitos. Gestern trafen wir dann beim
Abendessen eine vierköpfige Reisegruppe mit großem Geländewagen.
Ein Franzose und zwei deutsche Mädels reisen mit einem australischen
Tourguide durchs Land, der bereits 28 mal die Westküste herunter
gereist ist. Überflüssig zu erwähnen, dass er die besten Plätze
kennt. Wir waren dennoch froh alleine und frei zu reisen, da in der
Gruppe nicht wirklich Harmonie herrschte. Der Tourguide war
anscheinend sehr von sich selbst überzeugt und die Truppe
dementsprechend genervt. Dennoch nahmen wir sein unschlagbares
Angebot an: Zusammen auf dem einsamen nördlichen Teil des Cable
Beach am Strand übernachten – ich würde zwar im feinen Dünensand
stecken bleiben aber er könnte mich dann am nächsten Morgen wieder
raus ziehen. Wahnsinn! Der Wunsch nach einem Feuer kam auf und der
Tourguide traf eine gewohnt stereotype Entscheidung: Die Männer
fahren los Holz sammeln und holen die Frauen dann wieder am
Grillplatz ab, die bis dahin doch bitte alles Aufräumen und
Abwaschen. Alles klar!
Ich stieg also mit dem Tourguide und
dem Franzosen in den Nissan Patrol (mit Ford Emblem, da Ford
anscheinend keinen eigenen Geländewagen entwickeln konnte, Nissans
kaufte und 1 zu1 als Ford Maverick vermarktet hat) und fuhr aus dem
Ort heraus. Irgendwann sahen wir am Straßenrand schließlich einen
7-8m hohen toten Baum und hielten an. Feuerholz sammeln mal anders:
Der Guide schmeißt ein massives Seil um einen dicken Ast in der
Baumkrone und bindet das andere Ende an seine Anhängerkupplung. Ich
bringe mich etwa 15m entgegen der Knickrichtung mit dem Franzosen in
Sicherheit. Dachte ich zumindest! Der Guide hatte anscheinend etwas
zu viel Testosteron – anstatt dezent anzufahren und den Ast
abzubrechen setzt er nochmal 5 Meter zurück, lässt den Motor
aufbrüllen und gibt vollgas! Die Generation Youtube weiß, was jetzt
passieren kann: Das Auto könnte auseinander reißen, der Baum könnte
ungünstig auf ein Haus fallen oder ein tanzendes Einhorn rennt
durchs Bild. Was jedoch wirklich geschah kann ich nur so beschreiben:
Der Baum ist explodiert. Ernsthaft, der Baum ist einfach explodiert.
Der Rumpf blieb stehen, alles andere war im Umkreis von 20m verteilt
und handgerecht zerkleinert. Das zweitgrößte Stück ist nur knapp
hinter uns auf den Boden geknallt. Ich schaute den Franzosen
ungläubig an – das hätte richtig weh tun können. „Its normal.
We exploded some bigger trees, i can show you videos!“ Auf die Idee
dann dorthin zu gehen, wo man nicht potenziell erschlagen wird kam er
aber offenbar nicht. Leider hatte ich meine Kamera nicht dabei, aber
es war ohnehin dunkel. Wir sammelten die hölzernen Überreste auf
und verschnürten sie auf dem Dach des Geländewagens.
Nachdem wir die Mädels wieder
eingesammelt hatten machten wir uns auf den gewohnten Weg zum Cable
Beach. Am Ende des Parkplatzes ignorierten wir gekonnt das fette „4x4
ONLY“-Schild und fuhren die Rampe hinunter auf den Sandstrand.
Direkt zu Anfang war ein Abschnitt sehr sandig und bremste Ludwig
abrupt ab. 30Kmh, 20kmh, 10kmh, 5kmh und plötzlich hatten wir wieder
harten Sand unter den Füßen Rädern – Glück gehabt! Auf dem
harten Sand, der bei Flut unter Wasser steht ist das Fahren kein
Problem. Allerdings fuhr die Truppe vor uns recht schnell, und unser
kleiner Van kam mächtig ins Schaukeln. Ein paar Kilometer weiter im
Norden fuhr der dicke Nissan schließlich einige Meter hinauf in den
weichen Dünensand. Sollte man tun, wenn man sich nicht nachts um 2
das Auto fluten möchte. Weiter kam der Nissan ohne zugeschaltetes
Allrad mit seinen monströsen Schlammreifen aber auch nicht. Ohje!
Ich nahm ein wenig Anlauf, rutschte mehr um die Kurve als dass ich
sie fuhr und hielt voll auf die Dünen zu – nach weniger als 3m im
weichen Sand bergauf kam der Wagen zum stehen und steckte fest. Zu
weit unten, um über Nacht stecken stehen bleiben zu können. Der
Franzose und der Guide schoben mich mit vereinten Kräften zurück
und ich versuchte es erneut. Ich nahm dieselbe Fahrspur und schaffte
einen guten Meter mehr als vorher. Jetzt hatte mich der Ehrgeiz
gepackt – knapp 2m weiter und wir müssen nicht am Hang schlafen.
Ich rollte erneut zurück, wendete im harten Sand und fuhr einen
großen Bogen aufs Meer zu um ordentlich Anlauf zu nehmen. Die etwa
50kmh wurden in etwa 6m zum Stillstand abgebremst, aber Ludwig stand
oben! Geht doch! Wir machten ein großes Feuer und genossen die
Atmosphäre am wohl besten Ort, den man sich für eine Übernachtung
nur denken kann. Wir bekamen noch Besuch von zwei Australiern und
etlichen schwarzen Käfern.
Am nächsten Morgen machte sich die
Truppe zur Abreise bereit. Nun kam der schwierigere Teil: Ludwig
wieder auf den harten Sand bekommen. Ich schaufelte ein wenig den
weichen Sand zur Seite und die beiden Männer schoben wie am Abend
zuvor an der Bullbar, während ich ganz langsam aufs Gas drückte.
Und siehe da, wir konnten uns ohne Hilfe vom Nissan befreien und
stolz wieder das Festland erreichen. Ein tolles Erlebnis!
Nun bin ich also in Broome! Ich habe es
tatsächlich geschafft von Melbourne bis ans andere Ende Australiens
zu fahren! Ludwig macht nach wie vor einen tollen Job. Sparsam, viel
Stauraum und ein richtiges Bett – was will man mehr? Das übrige
Leben findet sowieso draußen statt, wenn man mit dem Wetter reist.
Das einzige, um was ich ausgewachsene Camperkisten beneidet habe war
ein Kühlschrank, weshalb ich vor kurzem ein elektrisches Kühlmodul
integriert habe. Wenn der Riss in der Windschutzscheibe jetzt nicht
doch noch quer auf die andere Seite wandert steht künftigen
Abenteuern also nichts im Wege. Sobald Magdalena den Flieger genommen
hat werde ich mich aber zunächst um einen Farmjob bemühen –
irgendetwas Cowboymäßiges, was mir zu einer Visumsverlängerung
verhelfen kann. Ich möchte mir die Möglichkeit offenhalten noch ein
zweites Mal für einige Monate nach Australien zu kommen, um ein
wenig Geld zu verdienen. Drückt mir die Daumen! Nun werde ich den
Kram hier hochladen und dann wieder mit Mane auf den Strand fahren –
diesmal allerdings ohne dicken Geländewagen im Rücken. Möge die
Macht mit uns sein...
Bis demnächst,
Flo
P.S.: So wachen wir morgens auf... :-)) |
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