Wenn einen als Backpacker in Australien
etwas wirklich richtig nervt, dann ist es die Suche nach einem
vernünftigen Job. Die Situation ist noch schlimmer als in den
vergangenen Jahren, da das Wetter im Norden verrückt spielt und
ohnehin mehr Backpacker als je zuvor unterwegs sind. Mir bleibt
allerdings keine Wahl, da ich bei Weitem nicht mehr genug Geld übrig
habe um mich mit meinem Auto, was je nach Stimmungslage nach wie vor
eine interessante Variation verschiedenster ominöser Geräusche von
sich gibt auf den Highway zu wagen und woanders mein Glück zu
versuchen. Mein Zuhause für die nächsten Wochen ist daher definitiv
Melbourne, und irgendwie muss Geld in die Kasse – soviel steht
fest.
Mein Platz am See im Vorort Altona war
dafür zunächst eine gute Wahl. Mittlerweile wohne ich seit über
einem Monat im Auto und weiß, worauf man bei der Suche nach einem
guten Stellplatz achten muss. Nähe zum Strand ist ist immer gut, da
dort erstens öffentliche Duschen sind und zweitens Strand! Oft habe
ich Gesellschaft von Anglern (ich glaube, jeder Australier angelt...)
oder von einem Nerd in Latzhose, der seinem ferngesteuerten Boot
Auslauf geben muss. Meistens ist es jedoch erstaunlich ruhig, und
wenn die imposante Skyline von Melbourne auf der anderen Seite des
Sees nicht wäre würde man nicht denken, dass man in nur 30 Minuten
mit dem Bummelzug mitten in einer Stadt mit 4 Millionen Einwohnern
ist. Nur eines Morgens stand ein Bus voller Rentner neben mir, als ich
aufgewacht bin und starrten mich an. Es war offensichtlich die
spannendste Kaffeefahrt ihres Lebens, im Auto vor ihnen hat sich
etwas bewegt!
Es ist oft windig |
Der Pier in Altona |
Am See in Altona - Im Hintergrund glüht Melbourne |
DJ D-Sens rüttelt die Palmen fest |
Ein Stadtteil geht steil |
Letzte Woche war im bekannten Stadtteil
St. Kilda ein Open air-Festival. Überall war Musik und buntes Licht,
verrückt gekleidete Menschen bestaunten die zahlreichen
Straßenkünstler- und Musiker. Besonders beeindruckt haben mich zwei
Vietnamesen, die mit der Kombination aus Beatbox und einem Instrument
namens Hang richtig gute Musik gemacht haben. Aus einer Bar kamen
alle Menschen mit Brottüten, in denen Bierdosen waren. Auf großen,
bunten Schildern wurde verkündet, dass es legal ist sogar gleich
zwei Dosen Bier auf einmal zu kaufen – zum Schnäppchenpreis von
nur 10 Dollar. Da war „Wagners original deutsche Bratwurst“ für
nur 8 Dollar sogar noch günstiger. Ein kahl rasierter Hippie im
Piratenkostüm kreuzte meinen Weg und fand kaum Beachtung für sein
Outfit, da es hier mehr oder weniger normal ist so herumzulaufen wie
man gerade Lust hat. Ich traf einige der Leute wieder, mit denen ich
noch in Shepparton gemeinsam auf einen Job gewartet hatte. Ihre
Erfahrungen beim Birnen pflücken wären nicht so toll gewesen, alles
klar. Auf einer großen Wiese am Strand legte ein französischer DJ
die härtesten Minimalbeats auf, die ich bisher live je gehört habe.
Die Amplitude war so signifikant Der Bassdruck alleine ließ einen
automatisch Tanzen, wenn man nur nah genug an die Bühne heranging.
Eine Italienerin gab mir ohne Vorwarnung einen Tokio-Stempel auf die
Wange, knutschte mich auf den Mund und verschwand bevor ich etwas
sagen konnte. Verrückte Welt!
Zurück in Altona stand die Jobsuche
wieder auf dem Programm. Kann doch nicht sein, dass sich keiner auf
meine zahlreichen Bewerbungen online meldet... ist mein Handy kaputt?
Ich erstellte zu meinem australischen Lebenslauf noch einen Flyer,
den ich an markanten Stellen im Ort verteilte. Ein netter Mitarbeiter
einer großen Druckerei hatte mir sponaten 40 Kopien kostenlos
erstellt – dafür hätte ich in der Bücherei über 10 Dollar
bezahlen müssen. Zunächst
musste ich mir noch Klamotten besorgen, da ich irgendwie nur noch
Badehosen hatte. Die Sampler aus dem Sommerschlussverkauf eines
Outletstores passten dabei genau ins Budget. Ich stellte mich bei Bäckereien, Restaurants und
Eisdielen in Williamstown vor, die per Aushang nach Personal suchten.
Eine sehr alte Frau erzählte mir aus ihrer Jugend und beendete das
Gespräch damit, dass es selbst für Einheimische schwer sei hier
einen Job zu bekommen. Klasse. Tagsüber war ich zudem quasi
obdachlos, da es im Auto viel zu warm wurde.
Altona Beach |
So verbrachte ich die
folgenden Tage in der Bücherei oder am Strand. Auf meinen Flyer
meldeten sich sogar zwei Leute – Der erste suchte einen
vollwertigen Grafikdesigner und der zweite schickte mir zweideutige
SMS wie „Are you open minded?“ und „Are you interested in
Bodymassage?“. Die Weinplantagen in der Region werden
ausschließlich von Kambodschanern abgeerntet, da sich diese als
weitaus effektiver als Backpacker erwiesen haben. Da bietet man sich
schon als billige Arbeitskraft für alles Mögliche an und bekommt
nur Absagen oder wird ignoriert – sehr frustrierend.
Ich bin jung und brauche das Geld |
Aber mir blieb wie gesagt keine Wahl,
also suchte ich hartnäckig weiter. Vor einigen Tagen meldete sich
dann tatsächlich jemand auf eine Onlinebewerbung und lud mich per
Mail zu einem Jobinterview ein. Ich bekam jedoch keinerlei
Informationen worum es ging, lediglich eine Adresse und eine Uhrzeit
am nächsten Tag. Dort angekommen erreichte ich ein Gebäude ohne
Logo oder Firmenschild, aus dem laute Musik dröhnte. Bin ich hier
richtig? Im Wartezimmer saß ich schließlich mit einer Armee
anderer, ahnungsloser Bewerber und musste die ersten Formulare
ausfüllen. Im Nachbarzimmer wurde geschrien und getanzt, ab und zu
kamen Leute mit kariertem Hemd und Energydrink durch den Flur
gezappelt. „Oh shit, new people!“ Eine attraktive Frau betrat den
Raum und forderte alle auf, ihr zum Gruppeninterview zu folgen. Die
Firma suche Leute mit positiver Energie und guter Ausstrahlung. Es
handelte sich um einen Job als Vertreter für Stromverträge, bei dem
man größtenteils auf Provision bezahlt wird. Da sie von den hier 15
Anwesenden aber nur 3 oder 4 Leute einstellen könne und sie testen
müsse, wie gut wir uns vor Anderen präsentieren können sollten wir
der Reihe nach aufstehen, etwas von uns erzählen und warum wir der
Richtige für den Job wären. Ein Franzose war offensichtlich weder
nüchtern, noch betrunken und starrte permanent auf einen orangen
Luftballon, den er unterwegs gefunden hatte.
Da stand ich dann also in meinem
Strandoutfit (Ich vermutete es sei ein Promotion-Job) zwischen all
den englischsprachigen Leuten, die stolz von ihren bisherigen
Erfahrungen in der Branche berichteten. Jackpot. Egal, ich hatte ja
nichts zu verlieren - Sicheres Auftreten bei völliger
Ahnungslosigkeit hatte ich doch bereits im Studium perfektioniert!
Ich stand auf und erzählte der Runde, dass ich in Australien sei um
neue Dinge auszuprobieren. Ich sagte, ich habe absolut keine
Erfahrung und keine Ahnung wovon ich eigentlich rede und deshalb
bräuchte ich natürlich den Job – und grinste die Lady frech an.
Sie schaute mich zunächst etwas perplex an. „Can you start
immediately?“-“Sure.“
Manenita e Florito |
Beim „Casting“ lernte ich Mane
(Magdalena) aus Chile kennen, mit der ich in den letzten Tagen viel
Zeit verbracht habe. Wir sind fleißig dabei, einen Strand nach dem
Anderen unsicher zu machen ;-) Den Job als Vertreter habe ich doch
tatsächlich bekommen und war in den letzten Tagen dort beim
„Training“. Wahrscheinlich ist der Job ziemlicher Murks und ich
suche mir nach ein paar Tagen etwas Neues – doch freue ich mich
darauf die Erfahrung zu machen als verhasster Vertreter um die Häuser
zu ziehen und auf Englisch Verträge anzupreisen. Johannes und Luisa
hatten angekündigt, mich in Melbourne zu besuchen und auch vorerst
hier zu bleiben. Sie hatten auch viele Probleme mit dem Auto und bei
der Jobsuche im Norden. Ihren Blog findet ihr übrigens hier.
Natürlich kamen sie eher als angekündigt, parkten um die Ecke und
schlichen sich im Dunkeln an mein Auto heran, als ich gerade ahnungslos
auf dem Fahrersitz saß und mit meinem Handy beschäftigt war. Da
ging der Puls in die Höhe!
Endlich Gesellschaft - Die Zusammenkunft |
Gestern Abend feierten wir unser
Wiedersehen mit einem Festmahl – Salat, Spaghetti Bolognese und
Schokocookies. Heute Abend treffe ich doch tatsächlich Sam und Sarah
aus England wieder, mit denen ich mich in Laos angefreundet hatte. So
langsam ist also das Tief überwunden und ich beginne, mich hier
wirklich wohl zu fühlen. Sollte mich in den nächsten Tagen keines
der niedlichen Opossen Opossaten Opossumen Opossas Opossums
aufgefressen haben berichte ich euch mehr von Melbourne und meinem
Vertreterjob.
Grütze!
Ui, Licht! Ich erstarre dann mal. |
Zum Abschluss nochmal ein paar Impressionen aus Melbourne: